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Vom Kümo-Moses bis zum Kapitän auf Großer Fahrt
2.Teil: Matrose vor dem Mast zum 1. Teil: vor dem Mast zum 3. Teil: Hinter dem Mast
Beförderung zum Matrosen
Eine der letzten Amtshandlungen unseres 1.Offiziers auf See war, mich zum Matrosen zu befördern, womit sich meine Heuer automatisch erhöhte. Ich wurde jetzt trotz meiner 18 Jahre in der Rangordnung als Vollgrad geführt. In Neapel stand beim Einlaufen schon die neue Crew an der Kai. Nachdem wir uns von unseren alten Kameraden mit Wehmut verabschiedet hatten, besonders ich von meinem Kammerkollegen Helmuth und unserem 1.Offizier, wurde das Schiff offiziell in „Erika Schulte“ umbenannt. Der neue 1.Offizier hieß Wysotzki und war ein schweigsamer, misstrauischer Mann. Er war Mitte vierzig und schon zu lange als 1.Offizier gefahren, um noch Chancen zu haben, Kapitän zu werden. Mein neuer Kammerkollege war ein junger schmächtiger Jungmann mit adligem Namen aus einer einflussreichen Hamburger Familie. Er hatte das Abitur, war intelligent und hatte einige merkwürdige Charakterzüge, die man so häufig bei einigen Adligen findet. Was er bei der Seefahrt suchte, war mir ein Rätsel, aber wahrscheinlich wollte er einmal Kapitän werden. Die neue war zu meinem Bedauern eine schlechte Crew ohne jegliches Kameradschaftsgefühl und Zusammenhalt. Wir hatten darunter typische Kriecher, Zuträger und Trinker. Der neue 1.Offizier war ein dem bisherigen ganz entgegengesetzter Typ, und man musste sich erst an seine Eigenheiten gewöhnen. Dazu gehörte, dass er unnahbar war, niemandem traute und alles selbst nachkontrollierte. Fand er etwas anderes vor, als ihm berichtet worden war, konnte er äußerst unangenehm werden und war mit einem „Sack“ schnell zur Hand. Machte man seine Arbeit korrekt und log ihn nicht an, konnte man auf ihn zählen. Mit unserem Alten kam er gut aus. Ich war seiner Wache zugeteilt und hatte niemals Schwierigkeiten mit ihm. Nach einer gewissen Zeit erkannte man auch menschliche Züge in seinem verschlossenen Charakter und konnte sich mit ihm auch mal privat unterhalten. Ich vermutete, dass er bei sich zu Hause ein total anderer Mensch war als bei uns an Bord.
Wir hielten uns den ganzen Herbst bis in den Beginn des Winters im Mittelmeer auf, und die Reisen von Hafen zu Hafen dauerten nicht länger als drei bis sechs Tage. Kurz nach dem Auslaufen aus Piräus spielte sich auf See eine kleine Tragödie ab. Mein neuer Kammerkollege, der Jungmann, war vom 1.Offizier und dem Bootsmann als Tagelöhner eingeteilt worden. Dies bedeutete für ihn, dass er keine Seewache zu gehen brauchte und seine Arbeitszeit, wie an Land, nur von morgens bis um 17 Uhr dauerte. Es blieb natürlich nicht aus, dass zwei so hochgeistige Menschen, wie unser Conny und er sich zusammenfanden und abends in der Kammer des 1.Kochs bei einer Flasche Wein oder Brandy über Gott und die Welt diskutierten. Kurz nach Mitternacht hörte der Alte, der seine Runde machte, Hilferufe und heftiges Geklopfe an der verschlossenen Tür des 1.Kochs. Er weckte den 1.Offizier und den Bootsmann und als auf seinen Befehl niemand die Tür von innen öffnete, ließ er mit Hilfe des wachhabenden Matrosen und einiger weiterer herbeigeeilter Leute die Tür aufbrechen.
Es bot sich folgendes Bild: Unser schmächtiger Jungmann stand betrunken und vor Angst zitternd mit freiem Oberkörper an der Tür und Conny mit riesigem erigierten Glied in einigem Abstand vor ihm. Auf dem Tisch standen einige geleerte Wein- und Brandyflaschen. Der Jungmann lallte etwas wie: „Er wollte..., Conny wollte..., ich wollte nicht.“ Dem Alten und den anderen war schon klar, was Conny gewollt hatte. Der Alte wurde sehr laut und schrie den armen Conny, der nur noch wie ein Häufchen Elend dastand, an: „Ziehen Sie sich an, Sie Schwein! Und schafft mir den Junggrad in seine Kammer, der ist ja total besoffen.“ Dann wurde auch ich geweckt und auf Befehl des Alten wurde der zitternde Conny von uns vier Mann nach vorne ins Ladekontor, achter Kante Back, geschafft und eingesperrt. Vorher mussten wir das einzige Bullauge mit einem Marlspieker so fest zudrehen, dass er nicht daraus entweichen konnte. Auch mussten wir alle spitzen und scharfen Gegenstände und Tauwerk entfernen.
Als wir zurückkamen, hatte der Alte schon den 2.Koch vorübergehend zum 1.Koch ernannt und für 10 Uhr des kommenden Morgens eine genaue Untersuchung angesetzt. Den Jungmann hatte man in seine Koje über der meinen verfrachtet, wo er seinen Rausch ausschlief. Auch ich legte mich zur Ruhe, denn um 4 Uhr morgens sollte meine Wache zusammen mit dem 1.Offizier beginnen. Als ich nach meiner Wache zum Frühstück in die Messe ging, wurde das Ereignis der letzten Nacht eifrig diskutiert. Am beeindruckendsten muss wohl Connys enormes Glied auf die Zeugen gewirkt haben, denn man sprach von „Pony-Size“ und „abgebrochenem Soldatenarm“, und sein Glied wurde von Bericht zu Bericht immer größer und länger. Einer unserer alten an Bord verbliebenen Schmierer aus der Maschine gab auch seinen Senf dazu. Er behauptete, er habe in Piräus gesehen, wie Hedwig ganz leichenblass aus Connys Kammer gewankt wäre und sich mehrmals an den Wänden abstützen musste.
Der Jungmann, der vollgekotzt in seiner Koje gelegen hatte, konnte sich beim Frühstück an nichts erinnern und musste sich herbe Kommentare anhören. Es fielen Zitate, wie „ausgefranste Arschlöcher“. Um 10 Uhr, an Conny in seinem Verlies hatte niemand mehr gedacht, gab uns der Alte den Schlüssel zu seinem „Gefängnis“ mit dem Befehl, den Delinquenten nach achtern zu bringen. Als wir die Tür öffneten, fanden wir unseren Conny halbtot und mit heraushängender Zunge nach Luft ringend auf dem Boden liegend vor. Wegen des wasserdicht zugedrehten Bullauges und der geschlossenen Lüftungsklappen war die Luft in Connys Gefängnis nahezu aufgebraucht. Wir fanden ihn sozusagen im allerletzten Moment. Sofort schafften wir ihn an Deck und beatmeten ihn künstlich und nach ein paar Eimern Wasser war Conny wieder unter den Lebenden. Nach diesem dramatischen Vorfall wurde die Untersuchung, da der Delinquent nicht vernehmungsfähig erschien, auf den späten Nachmittag verschoben. Der Alte ließ vorne an der eisernen Tür zum Ladekontor eine eiserne Kette anschweißen, die man an ein eisernes Auge am Schott mit einem Vorhängeschloss anschließen konnte, Dadurch war es möglich, die Tür um ca. 20 cm zu öffnen und Conny hatte immer frische Luft.
Am Nachmittag um 16 Uhr, pünktlich zum Beginn meiner Wache, begann die Untersuchung beim Alten im Salon. Da der 1.Offizier Zeuge war, wurde er während seiner Wache vom 3.Offizier abgelöst, damit er aussagen konnte. Conny gab zu Protokoll, dass er, wie jeden Abend, mit dem Jungmann in seiner Kammer zusammengesessen habe und sie, wie auch schon an anderen Abenden, eine Flasche Wein getrunken hätten. Die Unterhaltung wäre so interessant gewesen, dass sie beschlossen hätten, eine zweite Flasche zu öffnen. Nach dieser zweiten Flasche und einigen zusätzlichen Gläsern Cognac wäre es dem Jungmann so warm geworden, dass er sich seines Hemdes entledigt habe. Er selbst bekäme immer nach dem Genuss einer größeren Menge Flüssigkeit eine „Wasserlatte“, wobei sein Glied in solchen Situationen immer ungewollt erigiere. Normalerweise würde er dann immer sofort zum Pinkeln gehen, aber die interessante Diskussion hätte ihn davon abgehalten. Als er dann aber doch endlich zur Toilette wollte, müsse ihm auf dem Weg dorthin, bedingt durch ein schwaches Gummiband, seine Hose heruntergerutscht und dadurch sein Glied sichtbar geworden sein. Durch sein zugegeben enorm großes Glied müsse der betrunkene Jungmann in Panik geraten sein und versucht haben, die Kammer zu verlassen. Da er aus Prinzip auf See und im Hafen seine Kammer immer hinter sich abschließe, müsse er auch diesmal in alter Gewohnheit seine Tür verschlossen haben, obwohl er Besuch hatte. Er beteuere, ein normal veranlagter Mann und verheiratet zu sein und habe nie die Absicht gehabt, sich dem Jungmann unsittlich zu nähern.
Wie mir der Matrose, der die Tür mit aufgebrochen hatte und deshalb auch als Zeuge zugegen war, anschließend erzählte, konnte Conny Homosexualität nicht eindeutig nachgewiesen werden, da der Jungmann nicht fähig war, sich an die Vorgänge der letzten Nacht zu erinnern. Blieb nur noch der Tatbestand des Ausschenkens von Alkohol an einen Jugendlichen auf See. Obwohl der Jungmann bereits 19 Jahre alt war, galt damals im alten Seemannsgesetz die strenge Regelung, dass auf See nur an Volljährige Alkohol verabreicht werden dürfe, und volljährig wurde man erst mit 21 Jahren. Einem Junggrad gegenüber hatte Conny eindeutig die Aufsichtspflicht der Vorgesetzten und Vollgrade zum „Schutz von Minderjährigen an Bord“ missachtet. Demzufolge wurde Conny fristlos gekündigt und der Alte stellte gleichzeitig einen Strafantrag, der dann später an das Seeamt weitergeleitet wurde. Ich muss hier anmerken, dass auch ich mit meinen 18 Jahren noch minderjährig war, aber eben schon Vollgrad, und da wurde doch eben einiges toleriert. Anschließend wurde Conny in sein Gefängnis zurückgeführt. Er bekam dreimal täglich seine Mahlzeiten und wurde zweimal auf die Toilette geführt. Die schlimmste Strafe war für ihn, dass der Alte verbot, ihm, dem Kettenraucher, Zigaretten zu geben. Auch jeglicher Lesestoff wurde ihm vorenthalten. Wir sammelten heimlich an Bord Zigaretten und Lektüre, und ein ganz Mutiger schlich sich nachts auf dem Bauch nach vorne und schob das Paket durch den Türspalt. In Valencia, unserem nächsten Anlaufhafen, war die Gefangenschaft für Conny zu Ende. Ihm wurde ein Eisenbahnticket ausgehändigt, dessen Kosten ihm natürlich von der ihm noch zustehenden Heuer abgezogen wurde, und nach vielem Händeschütteln verließ er uns in Richtung Hamburg. Ich sah ihn später noch einmal auf dem „Heuerstall“ und er erzählte mir, das Seeamt habe das Strafverfahren nach einer Verwarnung gegen ihn eingestellt. Trotz aller seiner Macken war er einer der besten Köche, die ich bei der Seefahrt kennen gelernt habe, und wir alle an Bord bedauerten seinen Abgang.
Der neue Koch, Sepp, kam aus Österreich. Er war ein kräftiger junger Bursche und besaß all die schlechten Eigenschaften, die ein guter Koch an Bord als Seele des Schiffes nicht haben sollte. Er kochte saumäßig, soff wie ein Loch und war das, was man sich unter einem typischen Schläger und Raufbold vorstellt. Beschwerte sich einer von der Crew über das Essen bei ihm, bekam er „eins auf die Schnauze“. An Land gebärdete er sich primitiv und ohne Hemmungen wie ein wildes Tier, und man ging ihm am besten aus dem Wege. Der Einzige, der an ihm einen Narren gefressen hatte, war unser Leitender Ingenieur. Ihn schien die Primitivität und Brutalität dieses Burschen irgendwie zu faszinieren oder zu belustigen. Er war auch der einzige, der ihn mitnahm, wenn er mit seiner Maschinencrew an Land ging.
Wir machten einige Reisen von Marseille nach Algerien, das damals noch zu Frankreich gehörte, aber für Europäer bereits sehr gefährlich war. Die Aufständischen befanden sich im erbitterten Kampf gegen die französische Kolonialmacht, und die anfänglichen Scharmützel gingen in einen Unabhängigkeitskrieg über, der auf beiden Seiten mit großer Erbitterung und Brutalität geführt wurde. Wir hatten uns in Italien kleine Abzeichen in den deutschen Nationalfarben schwarz-rot-gold gekauft, die wir beim Landgang in Marokko oder Algerien immer an unseren Revers trugen. Wenn die Einheimischen unsere Abzeichen sahen, stießen wir stets auf große Sympathie, da unsere Ex-Gegner, die Franzosen, jetzt ihre Feinde waren, und so hatten wir nichts zu befürchten. In den algerischen Häfen Bône und Philippeville, die wir öfter anliefen, befanden sich Lazarette und Genesungsheime für verwundete Fremdenlegionäre aus den Kampfgebieten in Indochina. Viele der Legionäre, die wir dort trafen, waren ehemalige Soldaten der deutschen Waffen-SS, die man 1945 in der Gefangenschaft vor die Wahl gestellt hatte, in die Legion einzutreten oder sie an die Russen auszuliefern. Diese Indochinakämpfer waren wirklich alte Haudegen-Söldner, die seit Kriegsende keine Bindung mehr zu ihrer alten deutschen Heimat besaßen. Nachts hauten sie in den Lokalen ihren Sold auf den Kopf und sangen die alten deutschen Kampflieder und Nazihymnen, wie die „Wacht am Rhein“ oder das „Horst-Wessel-Lied“.
Es war ein gespenstischer Verein: Sie hatten seit der Hitlerjugend nichts anderes als Kriegsspiel und „Heldentum“ und nie den Frieden erlebt und für sie ging der Krieg immer weiter. Trafen wir in einer Kneipe auf sie, dauerte es einige Zeit, bis wir mit ihnen warm wurden. Für einige von ihnen waren wir die „Audenauer-Lümmel“. Viele kamen aus Ostpreußen und hatten seit 1945 nichts mehr von ihren Familien gehört. Den Heiligen Abend 1954 verbrachten wir in Bône und feierten ihn in den Kneipen zusammen mit den Legionären, wo sie ihr Heimweh ertränkten. Es waren wirklich arme Kerle, die mit Orden und Auszeichnungen, die die Legion zu vergeben hatte, reichlich dekoriert und durch die Kriege in Europa, Asien und Nordafrika völlig entwurzelt worden waren. Die einst Hitler ewige Treue und Ehre geschworen hatten, büßten jetzt mit dem Verkauf ihrer Ehre und Würde, ihrer Gesundheit und oft mit ihrem Leben. Nach ihrer Dienstzeit konnten sie, wenn sie denn überlebt hatten, eine neue Identität annehmen, Franzosen werden oder nach Deutschland zurückkehren. Aber viele fürchteten sich vor der Heimkehr in das Nachkriegsdeutschland, das ihnen fremd war. In Bône trafen der Bootsmann und ich bei einem Spaziergang einen jungen Burschen aus Wyk auf Föhr, dessen Vater der Bootsmann, der ja von dieser Insel kam, kannte. Er hatte sich vor einem Jahr aus Abenteuerlust zum Dienst bei der Fremdenlegion verpflichtet und war zur Zeit Bursche bei einem Capitaine der Legion.
Von Bône aus ging es nach Alexandria in Ägypten, wo wir Kartoffeln für Belfast in Nordirland luden. Da die Ladezeit nur kurz war, hatten wir keine Möglichkeit, an Land zu gehen und befanden uns im neuen Jahr 1955 wieder auf See. Nur die Tagelöhner feierten das neue Jahr mit einigen Alkoholexzessen, wir übrigen Wachgänger mussten wegen der Seewache nüchtern bleiben. In Belfast konnten wir unsere Kartoffeln wegen des starken Frostes von bis zu minus 12° C nicht löschen, weil sie sonst im Lagerschuppen erfroren wären. Wir lagen dort fast zwölf Tage, bis es wärmer wurde und hatten somit viel Zeit, an Land zu gehen. Da in Belfast statistisch auf jeden Mann mehrere weibliche Wesen kamen, war es für Junggesellen und Seeleute ein Paradies. Jeden Morgen sah man einige ermattete Helden über die Gangway wanken, die vom nächtlichen Landgang zurückgekommen und ihre überschüssige Kraft losgeworden waren. Die ganz Mutigen hatten sich ihre Bräute heimlich nachts an Bord geholt. Aber wehe, wenn sie erwischt wurden. Dann hagelte es Eintragungen ins Logbuch, und es gab empfindliche Strafen. Beim Auslaufen in Richtung Mittelmeer litt fast die gesamte Besatzung an gebrochenen Herzen, und einige hatte es besonders schwer getroffen. An der Kai standen die Peggys, Evelyns, Maurens und Janes und winkten uns traurig hinterher. Ein herzerweichender Anblick!
Auf See stellten wir fest, dass wir einen weiblichen blinden Passagier an Bord hatten. Der Alte war großzügig und ließ ihn nicht in Ketten legen. Eine kleine junge weiße Katze hatte sich an Bord geschlichen und miaute herzerweichend. In der Biskaya bekamen wir schlechtes Wetter, und unsere kleine Dame wurde furchtbar seekrank. Wir bauten ihr in der Messe ein „Bett“ aus einem Schuhkarton, den wir mit Putzwolle auspolsterten, und jede Wache kümmerte sich rührend um sie. Am meisten vernarrt in sie war unser brutaler Koch, der sie mit Leckerbissen verwöhnte und stundenlang mit ihr spielte. Wir kreuzten einige Zeit im Mittelmeer, wobei ich auch Istanbul zu sehen bekam. In der damaligen Zeit, so kurz nach dem 2. Weltkrieg, hatten wir Deutschen sehr wenig Freunde in Europa, darum überraschte uns die Deutschfreundlichkeit der Türken sehr. Nur noch in Irland und Spanien genossen wir gleiche Sympathien. Von Istanbul ging es in Ballast nach Valencia, wo wir Apfelsinen nach Hamburg laden sollten. In Valencia mussten wir an der Kai acht Tage warten, da die Apfelsinen erst noch zu pflücken waren. Später kamen sie dann mit Lastwagen zum Schiff.
Damit begann für uns eine wilde Zeit. Gleich am ersten Abend hatte der Leitende Ingenieur mit seiner Maschinencrew und unserem wilden Koch in der Nähe unseres Schiffes eine kleine Bodega entdeckt, die von einer Wirtin mit ihrer 16jährigen Tochter geführt wurde. Am nächsten Morgen schwärmte die ganze Maschinencrew von der Tochter, und am schlimmsten hatte es unseren Koch erwischt. Ihn muss Amor mit seinem Pfeil mitten ins Herz getroffen haben. Am Abend stürmte das ganze Schiff in die Bodega, um Maria zu sehen und ich muss zugeben, dass sie wirklich gut aussah. Sie war klein, hatte glutvolle Augen, konnte den Männern ausgezeichnet den Kopf verdrehen und war an allen Ecken wohlgerundet. Natürlich wuchs auch unserer Begeisterung für sie und da Maria dort das einzige Mädchen war, soffen wir wie die Löcher, um uns in gockelhaftem Imponiergehabe noch stärker zu fühlen. Dazwischen grölten wir, die deutsche Seele war erwacht, den „Schööönen Westerwald“, und auch die „Blauen Dragoner“ ritten wieder. Die „Maria-Bar“, wie wir sie tauften, und deren Wirtin mit dem animierenden Töchterlein machte das beste Geschäft ihres Lebens. Am schlimmsten gebärdete sich unser 1.Koch, der mit seinem primitiven Verstand Instinkte wie ein Pavian entwickelte. Er starrte immer nur Maria an und faselte die ganze Zeit von Verlobung und Heirat und drohte jeden zusammenzuschlagen, der „seiner“ Maria zu nahe kam. Dass Maria keine „Puta“ war, und noch ihre Unschuld zu bewahren hatte, begriff sein primitiver Verstand nicht, auch nicht, dass Heirat in Spanien eine sehr ernste Angelegenheit war, die von den Eltern der Braut und des Bräutigams in gegenseitigem Einverständnis arrangiert werden musste, war ihm durchaus nicht einsichtig. Wenn wir nach Barschluss alle zusammen an Bord wankten, lungerte er noch immer an der Tür der Bodega herum und kam als letzter an Bord.
Am nächsten Tag hatte sich unsere Anwesenheit in der „Maria-Bar“ herumgesprochen und es ließen sich einige Veteranen der „Blauen Division“ sehen, die an der Seite der Deutschen im 2. Weltkrieg in Russland gekämpft hatten. Der Wein floss anlässlich der Verbrüderung erneut in Strömen, und auch die „Blauen Dragoner“ ritten bald wieder. Dazwischen wurden alte Rechnungen, die sich an Bord angesammelt hatten, handgreiflich draußen vor der Tür unter den anfeuernden Rufen der Übrigen beglichen. Am nächsten Morgen liefen einige mit „geteilter Sonnenbrille“, wie ein blaues Auge genannt wurde, oder einer dicken Lippe an Bord herum. Nach einigen Tagen merkten wir, dass unser kleines Kätzchen inzwischen zur „Katzendame“ geworden war, denn sie war trotz intensiver Suche nicht mehr aufzufinden. Unser 1.Koch war kaum noch anzusprechen und befand sich offenbar bereits an der Vorstufe eines Deliriums. In der „Maria-Bar“ mussten wir ihn mehrmals mit vereinten Kräften davon abhalten, dass er auf jemanden losging, der „seiner“ Maria nach seiner Ansicht zu nahe gekommen war.
Irgendwann tauchten dann doch die Lastwagen mit den Apfelsinen auf, und der Ladebetrieb konnte in Tag- und Nachtschichten beginnen. Ich wurde zum Zählen der Kisten eingeteilt und musste mich mit dem Tallybuch und einem Bleistift an die Kai begeben und jede Kiste, die an Bord ging, auf der Palette zählen. Ab und zu verglich ich mein Ergebnis mit dem Tallymann an Land. Da jeder Mann der Deckscrew Tag und Nacht beim Laden eingespannt war, konnten nur noch die Leute aus der Maschine an Land gehen. Die Stauer wurden nach Akkord bezahlt, und so wurden auch wir an Deck durch den Wechsel der Ladebäume in immer neue Positionen sehr gefordert. Wie wir nun auch erfuhren, sollte der Rest unserer Ladung in Burriana, einem kleinen Hafen nördlich von Valencia an Bord genommen werden. Kurz vor dem Auslaufen, wir wollten gerade die Gangway an Bord holen, ließ sich unsere Katzendame „Molly“ in Begleitung eines riesigen zerzausten Katers am Kai sehen. Der Kater nahm in sicherer Entfernung von der Gangway Platz, während „Molly“ einige Schritte zum Schiff hinauflief, sich aber wieder umdrehte, als der Kater ihr nicht in die Fremde folgen wollte und mit ihm endgültig an Land verschwand. Der Naturtrieb war stärker und so „segelte sie achtern raus“. Auch mancher Seemann hatte schon sein Schiff verpasst, weil er sich im Banne Amors nicht rechtzeitig von seiner „Braut“ trennen konnte.
Wir liefen nach einer sehr kurzen Seereise am Sonntag Abend in Burriana ein. Da erst am Montag Morgen geladen werden sollte, hatten wir Gelegenheit, in die Stadt zu gehen, die ca. drei Kilometer vom Hafen entfernt lag. Spanien wurde zu der Zeit noch vom faschistischen General Franco diktatorisch regiert und hatte eines der niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen in Europa. Wir Seeleute mit unserer damals schon harten DM waren Könige an Land. Ein Glas Wein kostete umgerechnet nur zehn Pfennige und eine „Puta“ nahm für die Nacht keine zehn DM. Als wir spät am Abend die Stadt zu Fuß erreichten, fand dort gerade eine große Fiesta statt, an der wir uns ausgiebig beteiligten. Überall wurde getanzt und gesungen, es gab Schießbuden, Karussells, und der Wein floss auch hier in Strömen. Wir zerstreuten uns kurz vor Mitternacht, aber die meisten trafen sich, wie von einem Magnet angezogen, in der „Casa de la Puta“, dem einzigen Bordell des Ortes wieder. Hier wurde weitergezecht. Die Mädchen dort waren alle arme Luder, die durch eine verlogene und unmenschliche Moralvorstellung zu ihrem Gewerbe gezwungen worden waren, woran die Kirche große Schuld trug. Ein spanisches Mädchen hatte unberührt in die Ehe zu gehen. War sie keine Jungfrau mehr oder noch schlimmer, erwartete sie ein uneheliches Kind, wurde sie meistens von der Familie verstoßen. Einen Ehemann zu finden, war für sie dann fast unmöglich.
Am schlimmsten traf es die Mädchen vom Lande oder aus Kleinstädten, die nur eine spärliche Schulbildung und keinen Beruf gelernt hatten. Gebrandmarkt, wie sie waren, hatten sie kaum eine Alternative neben der Prostitution. Sie konnten ihr uneheliches Kind an die Kirche abgeben und selbst ins Kloster eintreten. Wenn sie ihr Kind behalten wollten, blieb ihnen in der Regel nur die Prostitution. Nicht wenige wählten als eine letzte Möglichkeit den Selbstmord. Die meisten Seeleute, nur wenige Ausnahmen gab es, waren reell und großzügig zu den Mädchen. Es gab natürlich auch abgebrühte Putas. Die meisten waren jedoch sehr lieb und erstaunlicherweise auch sehr religiös. Auf einem anderen Schiff habe ich es erlebt, dass jemand in der Messe damit prahlte, einem Mädchen als Liebeslohn falsches wertloses Geld angedreht zu haben. Von diesem Moment an war er bei allen Kollegen unten durch, und niemand wollte mit ihm noch etwas zu tun haben. Er musterte daraufhin auch ganz schnell ab. In Burriana jedenfalls kamen unsere Leute und auch die Mädchen auf ihre Kosten, wobei auch viel Sympathie auf beiden Seiten eine Rolle spielte. Die ganz Harten unter uns kamen am Morgen jedenfalls weniger hart an Bord zurück, und einer war ganz begeistert darüber, dass seine Auserwählte ihm sogar ein schönes hölzernes Modellschiff geschenkt hatte.
Zu unserer aller Überraschung sollten wir noch einige Kisten Apfelsinen in Castellon übernehmen, einem kleinen Hafen, etwa eine Stunde von Burriane entfernt. Dort in Castellon benötigten wir nur wenige Stunden zum Laden und beim Auslaufen merkten wir, dass unser 1.Koch vom Landgang nicht zurückgekehrt war. Die Befragung der Leute, die mit ihm an Land gegangen waren, ergab, er habe sich in der kurzen Zeit tüchtig einen angetrunken und dann herumgegrölt, er wolle jetzt zu „seiner“ Maria nach Valencia fahren. Der Alte gab einige Signale mit dem Typhon und wartete noch eine halbe Stunde. Als der Koch immer noch nicht aufgetaucht war, verließen wir ohne ihn den Hafen. Nicht nur unsere Katzendame war also Amors wegen „achtern raus gesegelt“. Vielleicht liebte dieser primitive und ungezügelte Mensch wirklich „seine“ Maria. Ich sollte diese Maria allerdings 26 Jahre später als Kapitän wiedersehen. Die Bodega stand noch an der gleichen Stelle. Aber was war aus unserer Maria geworden? Sie hatte natürlich nicht unseren Koch geheiratet und konnte sich auf meine Frage nur ganz vage an einen verrückten „loco aleman marinero“ erinnern. Maria hatte sich seit damals sehr verändert, war verheiratet, hatte drei Kinder und ein verblühtes hartes Gesicht mit wachen Augen. Ihre Figur mit den wunderbar weichen Rundungen war eckig geworden, und ihre samtweiche betörende Stimme klang jetzt hart und schrill. Ich habe sie nur einmal lächeln gesehen. Ihr Ehemann war klein, untersetzt und unscheinbar. Das war also aus Maria geworden.
Nach einer siebentägigen Seereise mit sehr viel Nebel erreichten wir am 17. Februar 1955 Hamburg, wo wir fast alle abmusterten. Der 1.Offizier versuchte mich noch zwei Tage vor Einlaufen zu überreden, doch noch an Bord zu bleiben, aber ich war der Meinung, dass ich mir einen Urlaub verdient hatte und blieb hart. Von unserer Heuer bekamen wir alle nicht viel heraus, denn wir hatten ja unser Geld in den Häfen immer mit lockerer Hand ausgegeben und nach der alten Devise gelebt: „Was nützt dem Seemann all sein Geld, wenn er damit ins Wasser fällt?“ Die meisten fuhren zu ihren Familien oder Eltern nach Hause, und es war eigentlich das erste Mal, dass mir so richtig zum Bewusstsein kam, dass ich außer Gott niemanden hatte, zu dem ich fahren konnte und zu Ihm wollte ich noch nicht.
Mir blieb nur das Seemannsheim als ein Stück Ersatzzuhause, und ein Gefühl tiefer Verlassenheit überkam mich. In meinem damaligen Tagebuch steht der Satz: „Es ist schwer ohne Zuhause, ohne Eltern. Aber man ist frei.“ Aber was für eine Freiheit oder Leben war das? Ich war etwas über 18 Jahre alt, und mein ganzes Hab und Gut bestand aus einem Seesack mit einigen Klamotten und dem wenigen Geld, das mir ausgezahlt worden war. Nachdem man sich etwas eingekleidet hatte, blieb von den paar Mark nicht mehr viel übrig, und man musste zusehen, dass man wieder ein Schiff bekam. Versackte man in den hafennahen Kaschemmen, wurde es ganz hart, und der erste Gegenstand, der ins Pfandhaus wanderte, war die Armbanduhr. Man löste sie, wenn man neu gefahren war, wieder ein. Da ich niemanden hatte, den ich anpumpen konnte oder der mir half, war meine Uhr manchmal die einzige Rettung. Ich besitze diese Uhr noch immer und sie hat heute bei mir einen Ehrenplatz. Das einzige Vergnügen, das ich mir an Land leistete, waren die Kinobesuche auf der Reeperbahn. Die Nachtvorstellungen kosteten damals 50 Pfennige und begannen um 23 Uhr, so dass ich selten vor 1 Uhr zum Schlafen kam. St. Pauli war auch damals nicht ungefährlich, und ab und zu geschah dort auch ein Mord. Nach einer Nachtvorstellung im „Star-Kino“ am 1. März 1955 erwartete uns draußen ein großes Polizeiaufgebot, und wir mussten alle unsere Ausweise vorzeigen. Ein kleiner Laden neben dem Kino, in dem Kleinkram und Postkarten verkauft wurden, war ausgeraubt und die Besitzerin, eine über 80 Jahre alte Frau, ermordet worden. Der Täter, ein im Milieu bekannter Alkoholiker, wurde am nächsten Tag gefasst. Seine Beute hatte nur etwas über drei Mark betragen.
Da mir der 1.Offizier ein gutes Dienstzeugnis ausgestellt hatte, musterte ich nach 23 Tagen Landurlaub wieder bei derselben Reederei als Matrose an. Das Schiff hieß „HENRIETTE SCHULTE“. Es lag in Rotterdam und sollte in Ballast über den Atlantik in die Staaten gehen. Nach einer sechsstündigen Bahnreise und einer anschließenden Irrfahrt per Taxi durch den riesigen Rotterdamer Hafen erreichte ich schließlich mein Schiff. Es kam mir riesig vor und zählte damals zu den größten Frachtern der deutschen Flotte. An Bord meldete ich mich beim 1.Offizier und war freudig überrascht, unseren alten „Ersten“ Krambs von der „Erika Schulte“ ex MS „Ilse E. Gleue“ wiederzutreffen, so dass mein anfangs banges Gefühl schwand. Die „HENRIETTE SCHULTE“ war erst etwas über ein Jahr alt und stand unter dem Schatten der ersten großen deutschen Schiffskatastrophe nach dem Krieg. Vor ca. einem Jahr war das Schwesterschiff, die „MELANIE SCHULTE“ auf ihrer ersten Reise nach den USA in einem schweren Orkan im Nordatlantik untergegangen. Es hatte keine Überlebenden gegeben. Wie sich später zeigte, lag die Ursache wahrscheinlich an baulichen Mängeln.
Die Reederei hatte ihren Sitz in Emden, und so war es kein Wunder, dass der Kapitän und der größte Teil der Besatzung aus Ostfriesland kamen. Der Alte hieß Aden und war ein langer schlanker Mann in den Vierzigern mit eingefallenen hageren Gesichtszügen. Er war magenkrank und wurde von der Crew „Schlackerdarm“ genannt, weil er furchtbar mit dem Proviant sparte. Er war sonst ganz in Ordnung, zumindest vergaß er nicht, dass er auch einmal als Matrose „vor dem Mast“ gefahren war. Als „Nichtostfriese“ mit Ostfriesen zu fahren, ist nicht einfach, und es dauert sehr lange, um mit ihnen warm zu werden. Die Besatzungsmitglieder bei uns an Bord waren fast alle irgendwie miteinander verwandt oder bekannt. Unser Moses war beispielsweise weitläufig mit dem Kapitän verwandt, der 3.Ingenieur mit dem Funker und einem Matrosen. Der Storekeeper und der Schmierer stammten aus dem selben Ort, und so ging es weiter. Natürlich trank man morgens zum Frühstück keinen Kaffee, sondern den sprichwörtlichen Ostfriesentee. Am Nachmittag gab es keine Kaffeepause, sondern „Teatime“. Tee wurde zu allen Tages- und Nachtzeiten getrunken, und einige Ästheten schwärmten von ihrem „echten Tee“ zu Hause, der nur mit Regenwasser aus der Regentonne zubereitet werden durfte und zu dem unbedingt „Klümbches“ und Sahne gehörten. Wir wenigen Nichtostfriesen und Kaffeetrinker wurden als „Fremde“ angesehen. An Bord wurde auch „Style“ gefahren, dass heißt, der private Umgang von Offizieren mit den Mannschaftsgraden wurde von Seiten der Reederei nicht gerne gesehen. Diese Abgrenzung setzte sich achtern in unseren Mannschaftsmessen fort. So hatten der Boots-, und Zimmermann sowie der Kabelgatsmaat und der Storekeeper zusammen eine kleine Messe für sich. Sie wurden auch von unserem 1.Moses bedient. In der Mannschaftsmesse saßen wir Vollgrade von Deck und Maschine je an einem eigenen Tisch, während die Junggrade ihren separaten hatten. Unser Tisch wurde vom 2.Moses bedient, während die Maschinenvollgrade dazu ihren jüngsten Reiniger hatten. Diese Rangordnung wurde strikt eingehalten und wenn es am Tisch der Junggrade zu laut zuging, wurden sie von uns zur Ordnung gerufen. Nur abends nach der Arbeit trafen wir uns alle, außer den Offizieren, ohne Rangunterschiede im Aufenthaltsraum.
Unser Bootsmann war ein bulliger, athletischer Typ mit einer durch einen Bordunfall eingedrückten Nase. Er war vom Schornstein gefallen und sah danach wie ein Preisboxer aus. Wir nannten ihn, wie auf größeren Schiffen üblich, „Schmadding“, während unser Schiffszimmermann, auch wie üblich, „Blau“ genannt wurde. Der Bootsmann war ca. 39 Jahre alt und ein alter Fahrensmann. Er war ein eisenharter Bursche und wurde von uns allen gefürchtet und respektiert.. Während wir Vollgrade ihn mit seinem Vornamen Otto anreden durften, mussten ihn die Junggrade mit seiner Rangbezeichnung ansprechen. Er verstand sein Handwerk und kannte das Schiff wie seine Hosentasche.
Unsere Reise ging von Rotterdam in Ballast über den Nordatlantik nach Norfolk an der Ostküste der USA, wo wir Kohlen für Emden laden sollten. Die Reise stand unter keinem guten Stern. Auf der halben Route bekamen wir Maschinenschaden und trieben zwei Tage in der aufgewühlten See, bis der Schaden behoben war. Drei Tage später gerieten wir in einen Nordweststurm mit Windstärken von 10 bis 11 und machten die ganze Nacht nur noch 1,5 Knoten Fahrt die Stunde. Nach dem Einlaufen in Norfolk ging es nach kurzer Ankerzeit zur Ladekai, wo das Schiff mit einer riesigen Ladeeinrichtung mittels mehrerer Förderbänder, die in die einzelnen Laderäume führten, in ca. zwölf Stunden beladen wurde. Nach dem Ablegen brach die Hauptmaschine wieder zusammen, und wir wurden auf die Innenreede geschleppt, wo wir ankerten. Während die Maschineningenieure mit ihrer Crew versuchten, den Schaden zu reparieren, begann für unsere Deckscrew eine ruhige Zeit. Norfolk war der größte amerikanische Kriegshafen an der Ostküste mit einer riesigen Marinewerft und sonstigen Marineanlagen. Zur gleichen Zeit mit uns lag dort die 6. US-Flotte vor Anker, bereit zum Auslaufen in das Mittelmeer. Ich habe in meinem Leben nie wieder so eine gewaltige Armada von Kriegsschiffen gesehen. Dort lag auch der größte Flugzeugträger der Welt, die U.S.S. „Forrestal“ mit über 60.000 Tonnen Verdrängung, der seine erste Reise machen sollte.
Wir vertrieben uns die Zeit vor Anker nach Feierabend und am Sonntag mit Boxkämpfen. Dazu hatten wir auf dem Achterdeck einen richtigen Boxring mit Seilen und Gong aufgebaut. Ausgerüstet mit Boxhandschuhen von 12 Unzen, musste jeder von der Mannschaft, ohne Rangunterschied, einmal für drei Runden á drei Minuten antreten. Die Gegner wurden vom Bootsmann und dem 3.Offizier bestimmt, damit keine Gewichtsungleichheit herrschte. Bekam man einen Junggrad als Gegner zugeteilt, der sich mal über einen geärgert hatte, musste man sich seiner Haut wehren. Nach achttägigen Bemühungen, die Maschine mit Bordmitteln wieder flott zu bekommen, gaben die Ingenieure auf, und wir wurden zur provisorischen Reparatur in die Marinewerft geschleppt. Die Hauptreparatur sollte nach Rückkehr in Deutschland erfolgen, wo alle Reserveteile vorrätig waren. Während der Werftzeit hatte ich Gelegenheit, an Land zu gehen. Da ich erst 18 Jahre alt war, bekam ich in keiner Bar ein Bier oder sonstiges alkoholisches Getränk ausgeschenkt und musste mich mit Coca Cola zufrieden geben. In allen Bars und Lokalen fand man US-Sailors, die dort vor dem Auslaufen ins Mittelmeer noch tüchtig einen draufmachten. Wir armen Deutschen konnten da nicht mithalten. Nach drei Tagen war unsere Hauptmaschine soweit repariert, dass wir die Heimreise antreten konnten. Da ich als Tagelöhner eingeteilt war, verbrachte ich fast jeden Abend im Mannschaftsaufenthaltsraum. Dort wurde unter der Leitung des 1.Stewards, der die Kantinenware verwaltete, an allen Tischen „Black Jack“ (17 + 4) gespielt. Da man um Bier spielte, konnte man ganz schön verlieren. Der Einzige, der gewann, war der 1.Steward, der an jeder Flasche verdiente. Einige verspielten ihre ganze Heuer und da nicht jeder ein guter Verlierer war, artete das Ganze in eine Massenschlägerei aus. Dabei wurde ein Beteiligter verletzt, und unser Alter machte daraufhin dem Treiben ein Ende. Das Seemannsgesetz verbot ohnehin jegliches Glücksspiel an Bord.
Auf Höhe der Azoren kamen wir in einen Orkan. Das erlebte ich in dieser Gegend ja nicht zum erstenmal. Dabei zeigte sich auch, wie gefährdet unser Schiff wegen konstruktiver Unzulänglichkeiten war und dass diese baulichen Mängel wohl auch zum Untergang des Schwesterschiffes geführt hatten. Der Sturm wehte mit Stärke 12 und die See erreichte teilweise eine Höhe von zehn Metern. Obwohl der Alte beigedreht hatte, stürzten einige Brecher über das Schiff und rissen unsere Backbordgangway über Bord. Der Bootsmann bekam den Befehl, mit einigen Leuten in den beiden Mittschiffsgängen backbord- und steuerbordseits die Fenster mit Stahlblenden zu sichern. Die hatten die Größe der Fenster und mussten mit Muttern außen aufgeschraubt werden. Dadurch wurde verhindert, dass die See die Securit-Glasscheiben einschlagen konnte und Wasser in das Schiff drang. Diese Aufgabe war sehr gefährlich und nicht umsonst wurden diese Mittschiffsgänge bei uns „Todesgänge“ genannt. Bei schwerer See konnte das Wasser mit Urgewalt wie durch ein Rohr hereinstürzen. Es bestand dann die Gefahr, entweder außenbords gespült oder nach achtern gerissen und gegen das Lukensüll oder die Poller auf dem Achterdeck geknallt werden. Man konnte sich dabei die Knochen oder das Genick brechen.
Zu viert machten wir uns, mit starken Tauen angeseilt, an die gefährliche Aufgabe. Ich werde nie das Gefühl vergessen, als das Wasser, wie bei einem Dammbruch gegen und über uns stürzte und wir uns verzweifelt irgendwo festklammerten, um nicht weggespült zu werden. Bei dieser Arbeit wurde unser Matrose Adolf hinter mir durch den Gang nach achtern gegen die Festmacherpoller geschleudert und schwer verletzt. Ich selber wurde gegen die Verschanzung gespült und mein rechtes Bein dabei stark geprellt. Der Orkan dauerte drei Tage, und wir alle mussten mehrmals an Deck, um abgerissene Windhutzen oder die Lukenpersenninge zu sichern. Nach dem Sturm stellten wir fest, dass ein Rettungsboot und ein David beschädigt waren und dass an der Vorkante Brücke ein 2 cm tiefer Riss über die ganze Breite des Schiffes entstanden war. Wahrscheinlich war unser Schwesterschiff an dieser Stelle auseinandergebrochen. Offiziell wurde die wahre Ursache niemals geklärt.
Nach dem Löschen in Emden ging das Schiff für fast zwei Monate nach Hamburg in die Howald-Werft zur Reparatur. In der Werft musterten einige Besatzungsmitglieder ab und wurden durch neue ersetzt. Unter den Neuankömmlingen befand sich auch der Halbbruder unseres „Schmaddings“, der bei uns als Matrose fahren wollte. Werner hieß er, war Mitte dreißig, klein, drahtig und sehr kräftig. Er war vorher als Bootsmann gefahren und nicht auf den Mund gefallen. Ich lernte seine Familie an Bord kennen und besuchte ihn später auch zu Hause. Seine Frau hieß mit Vornamen Anni, seine älteste Tochter Elke und die jüngste Frauke. Die älteste war 17 und die jüngste 6 Jahre alt. Mit der ältesten ging ich einige male ins Kino, und wir schrieben uns auch einige sehr harmlose Briefe. Während der Werftzeit ging ich mit ihm und seiner Familie auch auf den Hamburger „Dom“, wobei ich mit der jüngeren viel Karussell und Achterbahn fahren musste. Es war das erste und einzige mal, dass ich mich einer Familie näher anschloss.
Während der Werftzeit lernte ich auch Nürnberg kennen. Otto, unser Bootsmann, wollte dort das Grab seiner Mutter besuchen, welches er seit dem Kriegsende nicht mehr gesehen hatte und gleichzeitig seinen verschollenen Bruder suchen. Ich fuhr mit ihm und bekam so also Nürnberg zu sehen. Die Stadt war während des Krieges furchtbar zerstört worden und kaum wiederzuerkennen. Wir wohnten im Hotel „Marienbad“, welches man als ziemlich gut bezeichnen konnte. Während Otto das Grab seiner Mutter besuchte und bei den Behörden nach seinem Bruder forschte, schaute ich mir die Stadt an. Die alliierten Bomber hatten gründliche Arbeit geleistet und die „Stadt der Reichsparteitage“ als Symbol der Nationalsozialisten fast total zerstört. Die einzige einigermaßen erhalten gebliebene Sehenswürdigkeit war die alte Burg. Die Nachforschungen nach Ottos Bruder blieben erfolglos, und auch unsere privaten Befragungen in den übriggebliebenen Häusern erbrachten nichts, und so fuhren wir zurück nach Hamburg.
Nach über sieben Wochen Werftzeit ging unser Schiff wieder in See und zwar erneut zum Laden von Kohle nach Norfolk. Der Atlantik zeigte sich um diese Jahreszeit gnädig, und nach einer glatten Hin- und Rückreise erreichten wir mit unseren Kohlen Bremen. Dort musterte ich sofort nach dem Einlaufen ab, fuhr nach Hamburg-Altona und nahm mir ein Bett im mir inzwischen altbekannten Seemannsheim in der Großen Elbstraße. Diesmal wohnte ich in einem Zweibettzimmer, und ich fühlte mich dort fast wie zu Hause.
Auf zwei Schiffen hatte ich eine relativ kurze Fahrzeit.Trotzdem möchte ich sie ausführlicher erwähnen. Ich lernte Ralf auf dem „Heuerstall“ kennen. Er war 24 Jahre alt, untersetzt, klein und kräftig, hatte rotes Haar, war sommersprossig und mit seiner Baskenmütze hätte man ihn durchaus für einen Bretonen oder Iren halten können. Er fuhr schon fünf Jahre als Matrose und war ein typischer „Hein Seemann“ jener Zeit. Wir beide sollten noch am gleichen Tag als Matrosen auf dem M/S „NORDMEER“ der C. Mackprang jr. Nordstern Reederei anmustern. Sie galt unter Seeleuten als eine der besten und gesuchtesten Reedereien der deutschen Flotte, zahlte Haustarif, also mehr als sonst üblich, stellte Bettzeug für die Mannschaft und hatte einen überdurchschnittlich hohen Verpflegungssatz. Kein Wunder, dass wir dachten, das große Los gezogen zu haben. Aber bekanntlich hat jedes Ding zwei Seiten, und auch Gutes muss nicht frei von Wermutstropfen sein, denn auf diesem Schiff begegnete ich dem meiner Meinung nach arrogantesten und schlechtesten Kapitän, unter dem ich je gefahren bin.
Die „NORDMEER“ war der gleiche Schiffstyp wie die „HENRIETTE SCHULTE“, nur noch etwas größer. Sie löschte ihre Getreideladung an den Rethe-Getreidesilos und sollte am nächsten Tag schon wieder in Richtung Norfolk auslaufen. Die Rethe-Getreidesilos lagen am „Arsch der Welt“, und man kam nur mit dem Fährdampfer, der stündlich vom Baumwall abfuhr, dorthin. Bepackt mit unseren Seesäcken, mussten wir noch einen langen Weg vom Rethe-Anleger bis zum Schiff zurücklegen.. Nachdem wir noch über einige Bahngleise und Waggons geklettert waren, erreichten wir schließlich die Gangway, wo wir noch unseren Vorgängern begegneten, die gerade das Schiff verlassen wollten. Sie hatten schon tüchtig einen getrunken und schimpften furchtbar auf den Bootsmann und den Alten. Beide wären „linke Schweine“ und der Bootsmann habe überhaupt keine Ahnung von seinem Job. Mit gemischten Gefühlen, Ralf wollte schon umkehren, meldeten wir uns beim 1.Offizier, einem hageren Marine-Typen mit schnarrender Stimme und zackigen Bewegungen. Nach seiner Standardfrage, wo wir zuletzt gefahren hätten, schickte er uns zum Bootsmann, dem uns angekündigten „linken Schweinehund“. Der war ein mittelgroßer, schlanker, dunkelhaariger, ruhiger Mann in den Vierzigern, der uns unserer Kammern zeigte. Er war, wie sich später zeigte, ruhig, besonnen und fair. Ich habe ihn zwar schreien, aber niemals fluchen oder unanständig reden gehört, wie es sonst an Bord üblich war. Er war verheiratet, hatte Kinder und war grundsolide. Bei der Arbeit war er eisenhart, aber wenn man seinen Dienst korrekt tat, konnte man auf ihn bauen.
Die Kammern waren sauber, geräumig, hatten zwei Kojen übereinander und ein Waschbecken mit fließend Warm- und Kaltwasser. Außerdem bekamen wir eine Garnitur Bettzeug, Handtücher und Seife, ein Luxus, von dem man damals auf vielen Schiffen nur träumen konnte. Der Zimmermann war ein riesiger blonder und athletisch gebauter Bursche in den Zwanzigern. Er hatte das Aussehen eines „Jungsiegfrieds“, war immer heiter und nie schlechter Laune. Außerdem war er ein echter Draufgänger und der Nachttraum unserer weiblichen Passagiere. Die übrige Deckscrew bestand aus altgedienten Reedereifahrern, mit denen man gut auskommen konnte. Wir schleppten den ganzen Tag vor dem Auslaufen Proviant und Ausrüstung für die Reise, sowie Koffer und Reisegepäck der Passagiere. Einige von denen machten eine Rundreise, die meisten aber wollten in den USA aussteigen. Wir stellten fest, dass die Mehrzahl der Passagiere weiblich war und der 1.Steward erzählte uns, dass auch einige US-Armeekrankenschwestern dabei seien, die in Deutschland stationiert waren. Sie würden die Rückreise nach den USA als Urlaubsreise mit unserem Schiff machen.
Ich wurde der Wache des 2.Offiziers zugeteilt, die allgemein „Hundewache“ genannt wird, weil sie von Mitternacht bis 4 Uhr morgens dauert und dann wieder um 12 Uhr mittags beginnt. Aber meistens wird man schon um 8 Uhr geweckt, so dass man nicht viel zum Schlafen kommt. Der 2.Offizier war ein fülliger weißhaariger Mann, Ende der Sechzig, den alle nur „Opa“ nannten und der hier an Bord zusätzlich etwas Geld zu seiner Rente hinzuverdiente. Er war überaus genau, ja pedantisch, sprach sehr wenig und hatte bis zu seiner Pensionierung lange Jahre als Kapitän bei einer großen deutschen Reederei gefahren. Da niemand mit ihm Wache gehen wollte, wurde ich ihm als jüngster Matrose zugeteilt. Der 3.Offizier, dem ich vorne auf der Back bei An- und Ablegemanövern zugeteilt war, war ein großer, gutaussehender ruhiger Mann Ende der Zwanzig. Er besaß das große Kapitänspatent A6 und war sehr ausgeglichen und korrekt. Durch einen Unfall hatte er einige Finger an der linken Hand verloren. Den Alten hatten wir noch nicht zu Gesicht bekommen.
Am nächsten Vormittag liefen wir bei herrlichem Sonnenschein aus, und ich hatte unseren Kapitän immer noch nicht gesehen. Nachdem vorne und achtern „wegtreten“ befohlen worden war, löste ich pünktlich zu meiner Wache um 12 Uhr, den „Gefechtsrudergänger“ ab. Wir befanden uns querab von Blankenese und da sah ich zum ersten Mal unseren Alten. Er stand in voller Montur in der Steuerbord-Brückennock inmitten der Passagiere wie ein Fürst mit seinem Gefolge und zeigte ihnen sein Haus. Wahrscheinlich winkte ihm seine Familie in diesem Moment zu, denn alle in der Nock fingen zu winken an. Der Lautsprecher auf dem Peildeck wurde zur Landseite gerichtet, und mit einem schmetternden Marsch passierten wir Blankenese. Der Alte kam mit seinem Gefolge ins Ruderhaus, so dass unser Lotse und „Opa“, dessen Gesicht versteinerte, kaum noch Platz hatten. Nun hatte ich Gelegenheit, unseren Herrn und Meister aus der Nähe zu betrachten. Unser Alter war Mitte vierzig, mittelgroß mit einem Ansatz von Schmerbauch. Er hatte ein blasses, breitflächiges Gesicht und schütteres graues Haar. Der Volksmund sagt manchmal: „Dem sieht man die Fiesheit schon am Gesicht an.“ Hier traf diese Weisheit treffend zu. Er trug eine weiße Uniformjacke mit den vier „Zebrastreifen“ auf den Schulterstücken, eine schwarze Hose und halblange lederne schwarze U-Bootstiefel. Auf der Brücke ging es hoch her. Ferngläser wurden geschwenkt, Fotoapparate gezückt und Fragen gestellt. Irgendein Passagier kam auch zu mir an die Steuersäule, wo ich nach den Anweisungen des Lotsen steuerte und stellte mir irgendwelche Fragen, die ich ihm beantwortete. Der Fragesteller hielt sich eine Zeitlang bei mir auf, bis wir die Schiffsbegrüßungsstelle Schulau passierten, die jedes ein- und auslaufende Schiff mit Musik und Flaggengruß begrüßt. Da stürzte auch diese Person, wie die anderen, zur Brückennock.
Während die Fotoapparate draußen klickten und die Ferngläser das Schauspiel beobachteten, kam der Alte zu mir und schnauzte mich an: Ich sei hier zum Steuern und nicht zur Unterhaltung mit den Passagieren, wenn das noch mal passiere, würde er mich von der Brücke jagen. Nun hatte ich unseren Kapitän endlich kennen gelernt! Bis zum Englischen Kanal gingen wir mit drei Mann pro Wache routinemäßig unsere Seewache. Mal stand ich auf der Back, mal am Ruder oder in der Brückennock. Der Alte tauchte in unregelmäßigen Abständen auf der Brücke auf und verschwand dann wieder nach kurzer Zeit. Nur bei der Passage der Straße von Dover blieb er etwas länger. Kam er auf die Brücke, grüßte er niemanden, uns und den 3.Offizier schon gar nicht. Dem 2.Offizier nickte er kurz zu und nur der 1.Offizier und der Leitende Ingenieur konnten mit einem Gruß rechnen. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass er jemals einen Gruß von uns erwiderte. Meistens schaute er einen nur kurz misstrauisch an und ging dann weiter.
Wie der Bootsmann uns schon vor Auslaufen in Hamburg erklärt hatte, wurde an Bord „Hapag-Style“ gefahren. Das hieß: Auf dem Revier stand der Zimmermann die ganze Zeit vorne am Ankerspill, und die Seewachen waren bis zum Ausgang Englischer Kanal immer mit drei Mann besetzt: Ein Mann stand am Ruder, einer in der Brückennock und einer auf der Back. Alle Stunde musste auf der Brücke mit der Glocke geglast, also die Zeit akustisch bekannt gegeben werden. Eine Stunde wurde mit einem Doppelschlag angezeigt und wenn die Wache nach vier Stunden zu Ende ging, mussten vier Doppelschläge gegeben werden. Sollte die nächste Wache, z.B. um 3.30 Uhr, geweckt werden, gab man mit der Glocke drei Doppelschläge und einen einzelnen Schlag hinterher. Das wiederholte sich jede Seewache und da die meisten Seeleute bei der Arbeit an Deck keine Uhr bei sich trugen, war dies die einzige Zeitangabe, und man wusste so immer, wie spät es war und wann die nächste Wache geweckt werden musste.
Dieses „Reglement“ stammte noch aus der Segelschifffahrtszeit und wurde damals auf allen größeren Schiffen bis in die 60er Jahre praktiziert. Gleichzeitig musste der Ausguck auf der Back bis zum Englischen Kanal jedes Schiff, das er sah, mit einem Glockensignal anzeigen. Wurde ein Schiff an Steuerbord sichtbar, gab er einen Glockenschlag, an Backbord zwei und voraus drei Glockenschläge. Die meisten Kapitäne unterbanden diese Sitte, denn im Englischen Kanal konnte man bei guter Sicht Hunderte von Schiffen sehen, und die Bimmelei nahm dann kein Ende. Außerdem hatten die modernen Schiffe eine Lautsprecherverbindung von der Back zur Brücke. Wie uns der Bootsmann erzählte, liebte unser Alter diese Bimmelei, und sie machte Eindruck auf die Passagiere. Noch zwei Tage nach dem Verlassen des Kanals wurde nachts Ausguck auf der Back gegangen. Danach konnte sich der dritte Mann zum „Flötentörn“ achtern aufhalten, das hieß, er konnte achtern in der Messe in Bereitschaft sitzen, musste aber sofort zu ihm eilen, wenn der Wachhabende Offizier mit der Trillerpfeife von der Brücke pfiff. Wie uns der Bootsmann weiter unterrichtete, liebte es der Alte, nachts selbst unerwartet zu pfeifen und wehe, man überhörte das Signal. Nachts auf Ausguck wurde uns zu einer bestimmten Zeit erlaubt, achtern für 15 Minuten eine Kaffeepause einzulegen. Wenn in dieser Zeit geflötet wurde, musste man allerdings sofort auf der Brücke erscheinen. Diese Pausenzeit pflegte der Alte gerne zum Flöten zu nutzen. Kochte man sich gerade seine Tasse Kaffe und unterhielt sich dabei, flötete er sehr gedämpft, so dass man wirklich nichts hören konnte. Kam keine Reaktion, schickte er die Brückenwache und machten einen dann auf der Brücke „fertig“, aber im wahrsten Sinne des Wortes!
Ralf hatte es gleich auf der ersten Wache erwischt, mich eine Nacht später. Immer wenn er flötete, lag gar nichts an. So extrem, wie bei uns, wurde es nur noch auf Passagierschiffen und einigen „Renommierlinern“ gehandhabt. Schon aus ökonomischen Gründen verzichteten die meisten Reedereien auf solche Mätzchen und setzten ihre Arbeitskräfte sinnvoller ein. Der reguläre Kapitän unseres Schiffes hatte wegen eines Krankheitsfalles den Kapitän auf einem anderen Schiff der Reederei ablösen müssen, so dass sein jetziger Vertreter einige Zeit an Bord blieb. Der Schwiegersohn des regulären Kapitäns, ein blonder kräftiger Bursche von 25 Jahren, fuhr bei uns als Matrose und wollte nach dieser Reise in Hamburg sein großes Steuermannspatent A5 machen.
Nachdem wir den Englischen Kanal passiert hatten, kümmerte sich unser Fürst nur noch um die Passagiere und wir bekamen ihn eine Weile nicht zu sehen. Er speiste zusammen mit dem 1.Offizier, dem Leitenden Ingenieur und den Passagieren in einem eigenen Salon mit einer kleinen Bar und eigenem Bedienungspersonal. Dazu gehörte auch ein eigener Messejunge. Es ging bei unserem „Fürsten“ und seinem Gefolge hoch her. Der Champagner floss in Strömen, und die Musik und das Gekreische war weit bis nach Mitternacht zu hören. Das ging fast jede Nacht so, und einige der weiblichen Passagiere wurden bei so vielen Männern an Bord ziemlich angetörnt. Eine etwa 30 Jahre alte Dame hatte sich unseren 16jährigen Messejungen ausgesucht, der mittschiffs seine Kammer hatte, und nahm ihn jede Nacht so tüchtig dran, dass er sich am nächsten Morgen kaum auf den Beinen halten konnte.
Die übrigen Offiziere, Ingenieure und Ingenieurassistenten hatten ihre eigene Messe mit einem eigenen Messesteward. Bootsmann, Schiffszimmermann und Storekeeper, quasi den Unteroffizieren, stand ebenfalls eine eigene Messe zu, und sie wurden von einem Moses bedient. Sie alle wohnten mittschiffs, während wir, das „gemeine Volk“, achtern in und unter der Poop unsere Räumlichkeiten hatten, genau wie auf der „Henriette Schulte“. Den Offizieren und Passagieren war der private Umgang mit uns untersagt, uns war er sogar strikt verboten. Zuwiderhandlung wurde mit Entlassung geahndet. Der Mensch fing für unseren Fürsten erst beim Offizier an.
Im Atlantik wurde die Selbststeueranlage eingeschaltet, und wir gingen bei guter Sicht nachts nur noch mit zwei Mann Ausguck, wobei einer „Flötentörn“ hatte. Beim nächtlichen Ausguck auf der Brücke lernte ich auch „Opa“ genauer kennen. Obgleich er hier nur als 2.Offizier fuhr, war er immer noch Kapitän und missbilligte das Treiben unseres Fürsten und der übrigen Offiziere über alle Maßen. Er war sehr konservativ und akzeptierte nur den 3.Offizier, der sich an diesen nächtlichen Orgien nicht beteiligte. Jedenfalls kam ich mit „Opa“ gut zurecht und hatte niemals Schwierigkeiten mit ihm. Böse wurde er immer nur, wenn ich den 1.Offizier um 3.30 Uhr weckte und der nach den „rauschenden Ballnächten“ nach mehrmaligem Klopfen nicht hochkam. Dann lief er wie eine wütende Bulldogge herum und schimpfte, zumal auch der 1.Offizier nicht immer alleine schlief.
Sonnabends wurde auch im achteren Tagesraum tüchtig gefeiert, und die „Tagelöhner“, die ja auf See bis Montag nicht arbeiten mussten, machten meist bis Sonntag durch. Bei einer dieser Sauforgien stürzte unser völlig betrunkener Zimmermann bei schwerer See mit seinem Gesicht gegen die Heizung. Außer einer Gesichtsverletzung, die genäht werden musste, zog er sich noch eine leichte Gehirnerschütterung zu. Er wurde von uns gleich mittschiffs ins Hospital gebracht, und eine der jungen Passagierinnen, eine US-Militärkrankenschwester, war bereit, sich um ihn zu kümmern. Sie nähte seine Platzwunde und versorgte ihn drei Tage rührend. Wieder hergestellt, revanchierte sich unser Zimmermann bei ihr jede Nacht bis zum Einlaufen in Norfolk. Dort verließ uns dann ein großer Teil der Passagiere. Die verbleibenden Rundreisefahrgäste waren alle bereits ältere Herrschaften.
Nach einer ca. zwölfstündigen Ladezeit verließen wir mit ca. 12.000 Tonnen Kohle Norfolk in Richtung Weserhafen Nordenham. Hatten wir auf der Hinreise unseren Alten wenig zu Gesicht und damit zu spüren bekommen, offenbarte er uns jetzt täglich seine perversen Macken. Eine davon war, dass er hinter den Gardinen seiner Fenster vorkante Brücke den ganzen Tag die Leute beim Arbeiten an Deck mit einem Fernglas beobachtete. Diesmal hatte er es auf einen Leichtmatrosen abgesehen, einen ruhigen und fleißigen Burschen, der schon länger an Bord war. Weil er dem Alten zu langsam arbeitete, wurde ihm gekündigt. Damals langte als Kündigungsgrund: „Ende der Reise“. Der Nächste, den er auf Sicht hatte, war ich. Der Bootsmann ließ mich das Geländer des Winchendecks Vorkante Brücke malen, ca. 20 Meter vom Fenster des Alten entfernt. Zum Malen hatte mir der Bootsmann einen Flachpinsel, einen sogenannten „Kuttenlecker“ gegeben, mit dem ich alle Rundungen und Kanten des Geländers gut streichen konnte. An meinem Arbeitstempo hatte der Alte nichts auszusetzen, aber der Pinsel war ihm zu klein und ich bekam eine Verwarnung. Der Bootsmann, mit dem ich gut auskam, ließ mich danach nur noch auf dem Achterschiff malen. Beim Einlaufen in Nordenham konnte noch ein Matrose seine Sachen packen. Ein weiterer ging freiwillig. Ralf bekam eine Verwarnung, weil er als Ausguck im Englischen Kanal bei zig Schiffen eines nicht gemeldet hatte.
Den zweiten „Crash“ mit unserem Fürsten hatte ich, als ich die Rettungsboote reinigte und dabei eine Melodie vor mich hin pfiff. Er schrie mich mit rotem Kopf an, sofort das Pfeifen zu unterlassen. Wenn hier an Bord jemand pfeifen würde, so sei er das und kein anderer. Hatte ich bisher nie irgendeinen Hass gegen ihn, wurde er mir von diesem Moment an absolut zuwider. Auf der Rückreise war ich der Wache des 3.Offiziers zugeteilt, die von 8 bis 12 Uhr und 20 bis 24 Uhr ging. Wie bereits erwähnt, war der 3.Offizier ein ruhiger und besonnener Mensch, den wir alle mochten. Auch der Wachtörn mit ihm war angenehm. Kurz vor der Einfahrt in den Englischen Kanal wurde routinemäßig das Handruder und der Ausguck besetzt. Zufälligerweise war es mein Rudertörn, als der Alte die Brücke betrat. Wie üblich grüßte er niemanden und im Vorbeigehen schnarrte er den 3.Offizier mit den Wort „Anstellen!“ an. Der war verblüfft und wusste nicht, was er anstellen sollte. Er folgte dem Alten in die Brückennock und fragte: „Herr Kapitän, was soll ich anstellen?“ Der Alte drehte sich bei dieser Frage unwillig um und schnauzte: „Na das Radar, was denken Sie denn?“ In dieser kurzen Szene offenbarte der Alte seine unerträgliche Arroganz und seinen Größenwahn.
Wir liefen am Sonntag Morgen in Nordenham ein. Da erst am Montag früh Löschbeginn war und das Schiff dort bis Dienstag Mittag liegen sollte, bekam die halbe Besatzung Urlaub bis zum Auslaufen. Der Bootsmann hatte Ralf und mich während der Löschzeit zur Tageswache eingeteilt, so dass wir abends an Land gehen konnten. Wir hatten unsere Guthaben ausgezahlt bekommen. Bei mir waren es 170 DM. So beschlossen wir, einen draufzumachen. Die Stadt selbst liegt etwas vom Hafen entfernt, und deshalb bestellten wir uns abends ein Taxi. Wir erklärten dem Taxifahrer, dass wir etwas erleben wollten, er wusste, was wir meinten, fuhr uns zu einer richtigen „Nahkampfdiele“. Das Lokal hatte kurz nach dem Kriege eine traurige Berühmtheit erlangt. Eine der Damen hatte einem englischen Besatzungssoldaten sein „bestes Stück“ abgebissen. Der arme Kerl war verblutet. Die Sache wurde vor einem deutschen Gericht verhandelt. Der Richter, wahrscheinlich ein Patriot, baute der „Dame“ eine „goldene Brücke“ und stellte die Suggestivfrage: „Sie haben das doch unbeabsichtigt in höchster Ekstase getan?“ „Nein!“, antwortete sie, „ich habe ihn vorher ein paar Mal gewarnt, dass ich ihm den Schwanz abbeißen würde, wenn ich wieder mein Geld nicht bekommen sollte.“ Da konnte ihr der Richter auch nicht mehr helfen, und sie verschwand wegen Mordes für lange Zeit hinter Zuchthausmauern. Alte Nordenhamer kennen die Geschichte sicherlich noch genauer. Der Laden war jedenfalls brechend voll, als wir dort ankamen, und die meistern Gäste waren Seeleute wie wir. Nach einigen Gläsern Bier und geselliger Unterhaltung ließen wir uns kurz vor Mitternacht wieder an Bord zurückfahren.
Am nächsten Tag gegen Mittag kamen auch schon zwei neue Matrosen und ein Leichtmatrose als Ersatz für die Gekündigten an Bord. Jeder von ihnen war eine Marke für sich und mit allen Wassern gewaschen. Sie kamen aus Hamburg, und es waren „Stalleute“, also über den „Heuerstall“ vermittelt, wie Ralf und ich. Die beiden Matrosen waren schon Ende Zwanzig und alte Fahrensleute. Der eine hieß Hans, war mittelgroß, schlank, kräftig und gewitzt. Der andere ließ sich Jonny nennen, war von gleicher Größe, fett und wog mindestens 100 kg. Er war ein echter „St. Paulianer“ vom „Kietz“, der seine Herkunft aus dem „Milieu“ nicht verleugnen konnte. Er war versoffen, brutal und ein typischer Bauernfänger, der die Schwächen der anderen bedenkenlos ausnutzte. Seine Sprache kam aus dem Nuttenmilieu, und ich sollte mit ihm noch viel Ärger bekommen. Der Leichtmatrose war etwa 26 Jahre alt und schon etwas zu lange in diesem Rang. Er war ein echter „Barmbecker Jung“, untersetzt, mit der Figur eines Preisringers. Wie es sich später herausstellte, war mit ihm, wenn er einen getrunken hatte und man ihm dumm kam, nicht gut Kirschen essen. Der Bootsmann war nicht gerade begeistert von unserer neuen Truppe.
Dienstag gegen Mittag war die Ladung gelöscht. Das Schiff sollte für wenige Stunden in die Howald-Werft nach Hamburg gehen, wo wir etliche Getreidestützen und auch Passagiere übernehmen sollten. Kurz vor dem Ablegen kam, für uns alle überraschend, die Reederin mit Gefolge an Bord. Sie wollte das kurze Stück bis Hamburg mitfahren. Die Brücke war natürlich wieder dicht bevölkert, und es herrschte ein großes Gedränge. Wieder klickten die Fotoapparate, und Ferngläser nahmen alles ins Visier, was sich bewegte. Unser Alter hüpfte wie ein kleines schwanzwedelndes Hündchen um die ältere schlanke und grauhaarige Reeder-Dame herum und überschlug sich vor Freundlichkeiten. Zufälligerweise war ich als „Gefechtsrudergänger“ eingeteilt und konnte so das ganze Spektakel hautnah beobachten. Diese Dame hätte unseren Fürsten einmal unter normalen Umständen auf See erleben sollen, wenn er sich wie ein kleiner Nero gebärdete. Nachdem wir in Hamburg die Getreidestützen und Passagiere übernommen hatten, ging es wieder elbabwärts in Richtung Feuerschiff Elbe 1. Unsere Reise sollte diesmal nach Montreal in Kanada gehen, um dort Getreide zu laden.
Gleich zwei Tage nach dem Auslaufen fing mein Ärger mit Jonny an. Ich machte diese Reise als „Tagelöhner“ und weigerte mich bei der üblichen Sauferei im Aufenthaltsraum, eine zweite Runde Bier auszugeben. Damit war ich bei unserem Jonny unten durch. Wo immer er Gelegenheit fand, ob beim Frühstück oder bei der Arbeit, legte er sich mit mir an. Ich hätte mich natürlich beim Bootsmann oder 1.Offizier über ihn beschweren können, aber dann hätte ich auch gleich abmustern können, zumal er größer und stärker war als ich und ich daher gegen ihn bei einer körperlichen Auseinandersetzung keine Chancen gehabt hätte. Wir waren jeden Tag von 6 Uhr früh bis spät in die Nacht damit beschäftigt, Getreidestützen für ein Getreideschott mit unserem Ladegeschirr aufzustellen. Da wir diese Arbeit nur bei gutem Wetter verrichten konnten, wurde ohne Pause bis zur Erschöpfung gearbeitet. Die schweren, sechs Meter langen eisernen Stützen mussten in der Mitte der einzelnen Laderäume längsschiff in Abständen von fünf Metern aufgestellt werden. Zwischen diese Stützen wurden von unten nach oben schwere Planken hochgezogen.
Der Zweck war, alle Laderäume mit einer Wand abzuteilen, denn war das Schiff bis an die Decke der Laderäume voll Getreide, so sackte diese Ladung nach einiger Zeit einige Meter in sich zusammen und konnte bei schwerer See, wobei sich das Schiff bis zu 30 Grad nach jeder Seite legen konnte, durch seitliche Verlagerung wegrutschen. Die von uns gezogene Wand in der Mitte des Schiffes sollte die extreme Verlagerung der Getreideladung und damit das Kentern des Schiffes verhindern. Über jeder Luke wurde ein Trichterkasten, ein sogenannter „Feeder“ aus Holz errichtet, der mit Getreide gefüllt, während der Reise dazu diente, die durch das Absacken entstandenen Hohlräume wieder aufzufüllen. Diese Arbeiten auf See waren nicht ungefährlich. Die Stahlstützen wogen je eine halbe Tonne und wenn man beim Einsetzten bei den Schlingerbewegungen von einer stürzenden Stütze erfasst wurde oder der Strop riss, hatte man ausgesorgt. Auch mussten wir beim Einsetzen der bis zu fünf Meter langen Planken teilweise in großer Höhe arbeiten. Besonders nachts bei schlechtem Licht konnte man leicht abstürzen. Für die ganze Arbeit brauchte man bei gutem Wetter bis zur Fertigstellung etwa acht Tage. Bei schlechtem Wetter konnte man das Ganze vergessen, da die Arbeit dann unmöglich wurde. Für die Reederei wurde das dann eine teure Angelegenheit und kostete im Ladehafen acht Tage Wartezeit mit entsprechend hohen Liegegebühren.
Irgendwann beim Arbeiten, ich drehte gerade mit einem 40 cm langen Marlspieker, einem langen, konisch spitzzulaufender Stahlstab, den man zum Drahtspleißen benutzt, einige Spannschrauben der Getreidestützen fest, legte sich Jonny wieder mit mir an. Diesmal hatte ich von seinen andauernden Provokationen genug. Ich wurde so wütend, dass ich vergaß, dass er doppelt so viel wog wie ich und ein geübter Schläger war und schrie ihn an, er solle seine dumme Schnauze halten, sonst bekomme er eine drauf. Erst war er verblüfft, dann stürzte er sich mit einem Wutschrei auf mich und verpasste mir einen Schlag auf meine linke Kopfseite, dass mir Hören und Sehen verging. In meiner Angst und Verzweiflung wollte ich gerade mit all meiner Kraft mit dem Marlspieker zustoßen. Wer immer meinen Arm zur Seite stieß, hatte Jonny das Leben und mich vor dem Gefängnis gerettet. Als man uns auseinandergerissen hatte, war Jonny mit seiner linken Jackenseite am Getreideschott festgenagelt. Der Zimmermann brauchte seine ganze Kraft dazu, um den Marlspieker aus den Planken herauszuziehen. Diese Sprache verstand Jonny und wir wurden anschließend sogar fast Freunde. Der einzige wirkliche Freund, den ich an Bord hatte, war Ralf. Auch später, als wir abmusterten und auf verschiedenen Schiffen fuhren, wollte es der Zufall, dass wir fast immer zur gleichen Zeit abmusterten und uns auf dem „Heuerstall“ wiedertrafen. Das ging einige Jahre so, bis wir uns dann irgendwann doch aus den Augen verloren. Ralf verkörperte den damaligen Typ des Matrosen, wie man ihn öfter kennen lernen konnte, an Bord ein lieber Kamerad und guter Seemann, grundehrlich und ohne Falsch. Ich habe nie erlebt, dass er sich bei einem Vorgesetzten angebiedert hat. Er besaß die Portion Stolz und Selbstachtung, die völlige Unabhängigkeit demonstrierte. Passte ihm an Bord etwas nicht, ging er einfach, wenn er sich im Recht fühlte. Er trank gerne mal einen, wenn es angebracht war, war auch gelegentlich hitzköpfig, wenn er gereizt wurde und konnte dann auch mal zulangen. An Land war er großzügig zu den Damen und zu Freundinnen, in die er sich fast immer unsterblich verliebte, meistens in die falschen, denn wenn sein Geld dahinschmolz, versiegte auch in der Regel ihre Liebe.
Unseren Fürsten hatten wir tagelang nicht zu Gesicht bekommen, da er wieder vollauf mit seinen Passagieren beschäftigt war. Eines Tages, als wir kurz nach Mitternacht todmüde und verdreckt aus den Laderäumen kamen, spielten einige Offiziere und weibliche Passagiere Verstecken an Deck, wobei es ziemlich neckisch zuging. Das wurde Opa auf der Brücke nun doch zuviel und er scheuchte sie mit seiner gewaltigen Kommandostimme von Deck. Eine Stunde vor der Lotsenübernahme im St.Lawrence-Strom ließ sich unser Fürst mit seinem Gefolge wieder auf der Brücke sehen. Er befahl mit einer herrischen Geste unserem 2.Offizier, an unserem Hauptmast die Lotsenflagge „G“ setzen zu lassen. Der gab den Befehl an mich, den 2.Ausguck, weiter. Während ich langsam die Lotsenflagge hochzog und die Fotoapparate und Ferngläser der Passagiere mir folgten, passierte mir ein Missgeschick. Kurz bevor die Flagge den Block der Raa erreichte, löste sich der untere Knoten und die Flagge flatterte wild umher. Unser Fürst tobte wie ein Irrsinniger und schrie unverständliche Kommandos in sein Megaphon. Ich musste den 30 m hohen Mast erklimmen und mich an der dünnen Raa festklammern, um die Flagge zu klarieren und anschließend wieder an Deck zu bringen. Wäre die Raa unter meinem Gewicht gebrochen, wäre von mir nur noch ein Fettfleck an Deck übriggeblieben. Jedenfalls habe ich den fotofreudigen und filmenden Passagieren ein unvergessliches Bild von einem Matrosen im Mast beschert und das hat wohl unseren Fürsten wieder besänftigt.
Das zweite Malheur passierte mir ohne meine Schuld nachts kurz vor dem Lotsenwechsel in Quebec, als ich die Lampe für die Lotsentreppe einschalten sollte. Ich konnte den Schalter drehen wie ich wollte, sie brannte nicht. Natürlich tobte unser Alter wieder wie ein wildgewordener Eber los, und ich machte mich auf die Suche nach unserem Elektriker. Ich konnte ihn zuerst nirgends auftreiben und wollte schon aufgeben, als ich aus einer Kammer laute Musik und Gejohle hörte. Unser Elektriker befand sich in der Kammer eines Ing.-Assis, wo in fröhlicher Runde irgendein weit voraus liegender Geburtstag gefeiert wurde. Der Elektriker, der schon tüchtig einen gebechert hatte, stürzte zum Sicherungskasten im Gang, zu dem er den Schlüssel hatte und als ich an Deck schaute, brannte die Lampe. Gerade als ich die Brücke erreicht hatte und die Lampe klar melden wollte, hörte ich den Elektriker, der vor mir heraufgerast war, wie er zum Alten sagte, dass mit der Lampe alles in Ordnung gewesen sei, nur ich sei zu blöde gewesen, sie richtig einzuschalten. Nun, das konnte ich mir nicht gefallen lassen. Ich erklärte, dass der Elektriker überhaupt nicht an Deck gewesen sei, sondern nur die Sicherung eingeschaltet habe. Übrigens sei er besoffen und ein ganz verlogener linker Vogel, wenn er so etwas behaupte. Der Alte wurde ziemlich böse und erklärte mir, wer hier besoffen sei, bestimme einzig und alleine er, und ich solle mich zur Lotsentreppe scheren.
In Montreal bekam ich Post vom Bundesgrenzschutz, mit der mir mitgeteilt wurde, dass meine Bewerbung angenommen worden sei und ich mich in ca. drei Wochen zur Verfügung halten solle. Da wir in Montreal drei Tage liegen sollten, bekamen Ralf und ich einen freien Tag aufgedrückt, der auf den Urlaub angerechnet wurde. Wir schauten uns den ganzen Tag lang die Stadt an. Ich kaufte mir eine Winterjacke, und wir beiden waren froh, das Schiff für einen Tag vergessen zu können. Kurz vor Auslaufen wurde ein Bootsmanöver abgehalten, an dem auch die Passagiere teilnehmen mussten. Beim Anlegen der Schwimmwesten hatten einige jüngere Damen Schwierigkeiten mit ihrem sperrigen Busen, so dass wir ihnen Hilfestellung geben mussten. Da alles richtig sitzen sollte, ließen wir uns genügend Zeit bei unseren Unterweisungen. Wir drehten mit unserem Rettungsboot einige Runden im Hafen und nachdem wir das Boot wieder an Bord gehievt hatten, verließen wir mit ca. 12.000 Tonnen Weizen Montreal.
Wieder auf See und Heimfahrt, begann unser Alter erneut mit seinen perversen Spielchen und hatte es diesmal auf unseren Barmbeker Leichtmatrosen abgesehen. Aber er war an die falsche Adresse geraten. Normalerweise war ich als Tagelöhner eingeteilt, wurde aber im Revier und bei schlechter Sicht als dritter Mann der Wache des 3.Offiziers zugeteilt. Zu der regulären Wache gehörte einer der Matrosen und unser Barmbeker. Nach dem Verlassen des St.Lawrence-Stroms bekamen wir auf der Höhe von Neufundland dicken Nebel und Schneetreiben. Wie üblich stand ein Mann auf der Back, diesmal der reguläre Matrose, während der Barmbeker in der Brückennock Ausguck ging. Ich stand zu diesem Zeitpunkt am Ruder. Draußen war es lausekalt, und unser Barmbeker hatte sich wohl bei seiner 15minütigen Kaffeepause mit einem recht steifen Grog aufgewärmt, denn er stand ganz gemütlich in der Brückennock und steckte sich eine Zigarette an.
Der Alte, verärgert über den Nebel, schoss sofort wie eine Rakete in die Nock und brüllte den Barmbeker an, er solle sofort die Zigarette ausmachen, sonst könne er etwas erleben. Mit unserem Barmbeker war, wenn er einen getrunken hatte und man ihm dann in die Quere kam, wie bereits erwähnt, nicht gut Kirschen essen. Gott sei Dank, sprach er nicht zu laut, aber laut genug, dass ich hören konnte, was er dem Alten an den Kopf warf: „Was willst du vollgefressenes, eingebildetes, dummes Schwein? Sieh zu, dass du Leine ziehst oder ich hau dir eins in die Fresse, dass du dich anschließend nicht wiedererkennst!“ Der Alte schoss, wie von einer Tarantel gestochen, auf die Brücke und schrie den 3.Offizier, der auf der anderen Seite der Brücke stand und mich an: „Habt ihr das gehört, was er gesagt hat? Er hat mich bedroht.“ Ich hatte natürlich nichts gehört und auch der 3.Offizier beteuerte, nichts gehört zu haben. Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, ob er es doch gehört hat. Der Alte konnte nichts machen, aber er befahl, dass unser Barmbeker bis Europa, wenn es das Wetter zuließ, vorne auf der Back, Ausguck zu gehen habe. Natürlich wurde ihm auch mit der Begründung „Ende der Reise“ gekündigt. Vier Tage nach Neufundland gerieten wir in einen Südweststurm mit Windstärken 10 bis 11, und unser Bootsmann wurde an Deck von einem Brecher erfasst und gegen die achteren Poller geschleudert. Er erlitt schwere Prellungen und musste einige Tage im Hospital liegen. Am selben Tag wurde auch Ralf vorne im Kabelgatt mit seinem Kopf gegen das Schott geschleudert und erlitt eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde an der Stirn. Auch er kam ins Hospital.
Vier Tage vor Bremen kündigte ich auf Grund meines Briefes vom BGS beim 1.Offizier. Er lachte und meinte, wenn er gewusst hätte, dass ich zum Bundesseegrenzschutz gehen wolle, hätte er mich auf seine Wache genommen, um mir einige Tipps zu geben, denn er wäre während des letzten Weltkrieges aktiver Marineoffizier gewesen. Die ganze Reise über war er an Bord eigentlich nie richtig in Erscheinung getreten, und ich hatte ihn auf See nur beim Wecken gesehen. Drei Tage vor Einlaufen in Bremen versuchte Opa noch, mich zum Verbleiben an Bord zu überreden. Aber mein Entschluss stand fest. Auch Ralf hatte wegen seiner Kopfverletzung krankheitshalber gekündigt. In Bremen musterten Ralf und ich sowie einige Abschusskandidaten, darunter unser Barmbeker, ab, und wir fuhren alle zusammen mit der Bahn nach Hamburg. Während der Fahrt wurde fröhlich gezecht und ich kann mich nicht erinnern, dass sich der Fahrkartenkontrolleur einmal bei uns sehen ließ. Ich hatte 590 Mark an Bord ausgezahlt bekommen, eine Geldsumme, die ich zuvor nie besessen hatte.
Während ich mir wieder ein Zimmer in meinem alten Seemannsheim in der Großen Elbstraße nahm, quartierte sich Ralf in einem Hotel auf der Reeperbahn ein. Abends trafen wir uns im „Old Shatterhand“, einer wüsten Seemannskaschemme auf der Reeperbahn, wieder und machten tüchtig einen drauf. Ralf verliebte sich in eine junge Amateurnutte, die sich „Sheila“ nannte. Sie war ein dunkelhaariges Wesen mit einem exotischen Aussehen und dem Charakter einer streunenden Katze. Spät nach Mitternacht wollte ich ihn aus der Kneipe lotsen, aber Sheila klammerte sich wie eine Klette an ihn, und Ralf war nur noch Wachs in ihren Händen und blieb. Als ich ihn zwei Tage später in seinem Hotel besuchte, hatte sich Sheila bei ihm eingenistet, und sie lebten schon in eheähnlichen Verhältnissen. Auch von Verlobung war bereits die Rede. Ralf hatte sie inzwischen neu eingekleidet und wenn ihr ordinäres Mundwerk sie nicht verraten hätte, hätte man sie fast für eine Dame halten können. Ich fuhr nach Köln, um meinen Onkel zu besuchen und verlor Ralf für einige Tage aus den Augen. Als ich nach fünf Tagen wieder in Hamburg zurück war und ihn aufsuchte, fand ich ihn am Bett einer grün und blau geschlagenen Sheila sitzend vor. Was war geschehen? Nun, auch Rolf hatte einen Tag wegfahren müssen und während dieser Zeit hatte sich Sheila nach ihrer Darstellung tüchtig einen zur Brust genommen. In ihrem Brausebrand hätte sie dann einem am Tisch schlafenden Seemann die Inhalte aller Aschenbecher des Lokal in den offenen Hemdkragen geleert. Beim letzten Ascher sei ihr Opfer, nach ihrer Beschreibung ein „abgebrochener Riese“, aufgewacht und habe die arme Sheila furchtbar verdroschen. Jetzt lag sie wimmernd im Bett, und Ralf tröstete sie und kümmerte sich rührend um die Ärmste. Wie Ralf mir freudestrahlend erzählte, waren sie inzwischen auch - mit echten Ringen - verlobt. Das einzige, was ich machen konnte, war, ihnen nachträglich viel Glück zu wünschen.
Meinen 19. Geburtstag feierte ich alleine bei „Flint“, einer Kaschemme nahe dem Seemannsheim am Fischereihafen. Dort verkehrten nur Seeleute, auch solche von der Fischerei, die wir damals nur „Fischdampferlöwen“ nannten. Wenn die an Land einen drauf machten und das Geld um sich warfen, ging manchmal eine ganze Kneipe zu Bruch, besonders, wenn man sie übervorteilen wollte. Aber Emil, der wie sein Lokal Flint hieß, kam mit ihnen gut zurecht, und ich habe nie gehört, dass er mit ihnen Ärger hatte. Spät um Mitternacht wollte ich noch in einem Kellerlokal direkt neben dem Seemannsheim den letzten Drink nehmen. Auch diese Kneipe war ein beliebter Treffpunkt der „Fischdampferlöwen“ und wurde von einer etwa 40jährigen stabilen Frau mit einer 16jährigen Tochter geführt. Als ich das Lokal betrat, wurden sie und ihre Tochter gerade von zwei kräftigen „Fischdampferlöwen“ auf dem Tisch gebumst. Da sonst keine anderen Gäste anwesend waren, mit denen ich mich hätte unterhalten können, ging ich gleich wieder zurück und ins Seemannsheim auf mein Zimmer - gerade 19 Jahre alt geworden. Ralf sah ich nur noch sporadisch, wenn ich mal ins „Old Shatterhand“ ging. Er war noch immer mit seiner Sheila zusammen, und es wurde immer spät, wenn ich sie verließ.
Eines Morgens, ich lag noch im Bett, stand ein sehr geknickter Ralf vor meiner Tür. Seine Sheila hatte sich, als er noch schlief, heimlich aus dem Staub gemacht, nicht ohne vorher sein restliches Geld und seine Armbanduhr als Andenken mitzunehmen. Der arme Kerl war ganz außer sich, aber immer noch verliebt. Wenn sie wieder bei ihm aufgetaucht wäre, hätte er ihr wahrscheinlich sofort verziehen. Ich lieh ihm soviel Geld, dass er sich einige Tage über Wasser halten konnte und machte mich mit ihm auf die Suche nach dem verdufteten „Vögelchen“. Wir fahndeten mehrere Tage, aber Sheila blieb wie vom Erdboden verschwunden. Keiner wusste, wo sie abgeblieben war. Nach einigen Tagen musterte Ralf mit sehr gebrochenem Herzen wieder als Matrose auf einem neuen Schiff an. Ich sah ihn zwei Jahre später, als er mit gebrochenem Schenkel im Krankenhaus lag und ich gerade auf der Navigationsschule mein nautisches Offizierspatent A5II machte. Dann begegnete ich ihm erst nach 40 Jahren wieder, aber es war nicht mehr der alte Ralf, er war nicht nur vierzig Jahre älter und inzwischen Rentner, sondern war auch zum Alkoholiker und Zyniker geworden.
Vom Bundesgrenzschutz erhielt ich die Nachricht, dass die Einstellungen für den Seegrenzschutz zur Zeit abgeschlossen seien, ich jedoch sofort beim Grenzschutz an Land anfangen könne. Ich erbat mir einige Monate Bedenkzeit und musterte noch am selben Tag auf dem DS „HASSELBURG“ als Matrose an. Das Schiff hatte eine Kapazität von 2.830 TDW. Es lag in Hamburg und sollte mit Stückgut über Antwerpen, Algier, Tripolis, Patras und Istanbul nach Konstanza an der rumänischen Schwarzmeerküste gehen. Dort hatte das Schiff eine Ladung Mais für Bremen zu übernehmen. Nach deren Löschung sollte die „Hasselburg“ an eine portugiesische Reederei verkauft werden. Das Schiff hatte eine Dampfmaschine und war 1950 nach den Bestimmungen der alliierten Siegermächte gebaut worden. Diese waren zunächst sehr restriktiv, und so durften die Schiffe nur Kohlenfeuerung für ihre Dampfmaschine haben und nicht schneller als 10,5 Knoten laufen. Auch die maximale Länge, Breite und die nautische Ausrüstung waren vorgeschrieben und die Tragfähigkeit auf 3.000 Tonnen begrenzt. Im Laufe der Jahre wurden die Bestimmungen gelockert und später ganz aufgehoben, so dass die Schiffe Oelfeuerung bekamen und ca. 12 Knoten liefen. Trotz allem waren diese Nachkriegsbauten hässliche Schiffe, die von weitem wie große Bügeleisen aussahen. Die „Hasselburg“ gehörte der Reederei Harald Schuldt, die mit ihrer Flotte hauptsächlich die Levante bediente. Sie besaß fast ausschließlich nur neue schnelle Schiffe und unterhielt auch einen regelmäßigen Liniendienst von Hamburg zum Mittelmeer. Der Sitz der Reederei war in Hamburg. Kein Wunder also, dass sie unseren „Langsamläufer“ loswerden wollte.
Kapitän und Offiziere gehörten zum Stammpersonal der Reederei. Die übrige Besatzung war neu gemustert worden, denn so kurz vor Weihnachten, es war der 11. Dezember 1955, wollte keiner an Bord bleiben und kaum jemand neu einsteigen, und so hatte man alle Leute genommen, die man bekommen konnte. Die meisten waren „abgebrannt“ oder bekamen unter normalen Umständen kein Schiff mehr. Einige, wie ich, hatten auch niemanden, bei dem sie Weihnachten hätten verbringen können. Unsere Unterkünfte befanden sich achtern am Heck unter der Poop. Auch wenn wir Zweimannskammern hatten, so waren es doch winzige Löcher, in denen man sich zu zweit kaum bewegen konnte. Im Sommer muss es darin furchtbar gewesen sein.
Der Bootsmann hieß mit Vornamen Heinrich, war ca. 60 Jahre alt und ein sehr merkwürdiger Typ. Er stammte aus Ostpreußen, war der geborene Antreiber und hatte die Angewohnheit, nach dem Rauchen die Zigarettenkippen zu kauen. Mein Kammerkollege war ein Leichtmatrose aus Bremen. Er war ein Jahr jünger als ich und sehr aggressiv und streitsüchtig. Da er der einzige Junggrad an Deck war, teilte er sich die Backschaft mit einem Reiniger aus der Maschine. Die anderen vier Matrosen waren alle langbefahrene ältere Burschen, denen man nichts mehr vormachen konnte. Sie hatten schon alle Höhen und Tiefen der Seefahrt kennen gelernt. Einige waren bereits während des Krieges auf See gewesen, und der Bootsmann sollte keinen leichten Stand bei ihnen haben. Ich war mit 19 Jahren der jüngste Vollgrad, aber da ich schon auf zwei Schiffen als Matrose gefahren hatte, wurde ich von den anderen akzeptiert. Auch die Heizer, Öler und der „Donkeyman“, die mit uns achtern wohnten, waren alle bereits etwas älter und hatten einen Menge Wasser gesehen.
Der Kapitän hieß Andresen und war ein schlanker grauhaariger Mann von ca. 58 Jahren mit einem hageren Gesicht und Spitzbart. Er war schon während des Krieges für die Reederei gefahren und musste bei irgend einem Vorgesetzten in Ungnade gefallen sein, denn sonst hätte man ihn nicht so kurz vor Weihnachten auf das langsamste und älteste Schiff gesteckt. Er sollte sich als einer der menschlichsten Kapitäne entpuppen, die ich kennen gelernt habe. Der 1.Offizier hieß Blackwood, war schon Anfang fünfzig und fuhr bereits lange bei der Reederei. Auch er muss seine Abkommandierung auf die „Hasselburg“ als eine Strafversetzung empfunden haben. Er war ein kleiner ruhiger Mann, der sich später, wenn er im Hafen einen kleinen getrunken hatte, bitter über die Ungerechtigkeiten des Lebens beschwerte. Der 2.Offizier war Anfang dreißig und kam aus der Fischerei. Er war ein großer kräftiger Mann mit einem rauen Gemüt, wie man es bei der Fischerei haben muss, wenn man sich durchsetzen will. Er besaß das große Fischereisteuermannspatent und wollte nach dieser Reise sein Handelsschiffpatent machen. Ich traf ihn später einmal auf der Straße wieder, als er dabei war, sich auf das Kapitänspatent A6 vorzubereiten.
Da wir alle neu an Bord waren und das Schiff nicht kannten, gestaltete sich das Auslaufen nach Mitternacht ziemlich schwierig. Keiner wusste so recht auf dem Schiff Bescheid, und es dauerte beispielsweise sehr lange, bis wir bei der Übernahme des Hafenlotsen den Lichtschalter für die Lotsentreppe gefunden hatten. Es war außerdem hundekalt und regnete in Strömen und da wir alle kein richtiges Winter- und Regenzeug hatten, froren wir erbärmlich. Nach dem Ablegen mussten wir mit allen Mann die Ladung an Deck und in den Laderäumen laschen und festzurren. Da ich der Wache des 1.Offiziers zugeteilt war, begann um 4 Uhr morgens meine Seewache, die ich mit Steuern und Ausguck verbrachte. Nach der Wache ging es um 8 Uhr gleich mit dem Laschen weiter. Spät abends erst wurden wir fertig. Müde und durchnässt, wie wir waren, ließen wir uns in die Kojen fallen.
In Antwerpen, unserem letzten Ladehafen, lagen wir zwei Tage. Da am ersten Tag nachts nicht gearbeitet wurde, hatten wir, ausgenommen der Bootsmann und die Nachtwachen, Gelegenheit, gemeinsam an Land zu gehen. Wir besuchten das „Oberbayern“, ein bekanntes Bierlokal mit bayrischer Blaskapelle und schrägen Damen. Das Lokal war immer brechend voll und wurde hauptsächlich von Seeleuten, besonders deutschen, bevorzugt, da man von hier aus einige liebesbedürftige Damen abschleppen konnte. Nach einigen Maß Bier, es wurde in bayrischen Maßkrügen ausgeschenkt, stellte ich fest, dass meine Kollegen durchweg vernünftige Leute waren. Einige von ihnen waren sogar verheiratet, und nur widrige Umstände und soziale Not hatte sie gezwungen, noch vor Weihnachten an Bord zu gehen. Die einzige Ausnahme bildete unser Leichtmatrose, der noch unerfahren, großspurig und maßlos von sich selbst überzeugt war. Aber das sollte sich später ändern. Kurz vor Mitternacht, das Lokal wurde erst morgens geschlossen, bestellten wir uns einige Taxis und fuhren, ohne Damenbegleitung, wieder an Bord zurück.
Am Auslauftag war das Schiff bis zur maximalen Kapazität beladen. Wir verließen Antwerpen mit einer riesigen Decksladung, die wir unterwegs noch laschen mussten. Darunter waren auch acht große Wohnwagen für die US-Air Force in Libyen, die quer zum Schiff auf den geschlossenen Luken gestaut waren. Sie waren so lang, dass sie an beiden Seiten über das Schiff hinausragten. Die Wohnwagen waren alle komplett mit Klimaanlage und Möbeln ausgerüstet. Wenn man vorne die Back erreichen wollte, musste man darunter hindurchkriechen. Außerdem war das ganze Deck und die übrigen Luken mit großen Maschinenteilen, Lastwagen und Fässern dichtgestaut. Wie bereits nach dem Auslaufen aus Hamburg, waren wir einen ganzen Tag lang nur mit dem Laschen beschäftigt und es wurde wieder nicht eher Schluss gemacht, bis alles festgezurrt war.
Auf meinem Rudertörn auf der Schelde nach See hin hatte ich Gelegenheit, unseren Alten kennen zu lernen. Es war das erste Mal, dass sich ein Kapitän mit mir ungezwungen und ohne Allüren wie ein normaler Mensch unterhielt. Wir kamen auch auf Reval, meinen Geburtsort und auf meine Flucht vor den Russen von Gotenhafen aus zu sprechen. Er erzählte mir, dass er schon lange bei der Reederei fahre und dass er auch Reval sehr gut kenne. Bei Kriegsende habe er Tausende deutscher Flüchtlinge aus Ostpreußen, Gotenhafen, Danzig und Pillau mit seinem Schiff vor den Russen nach Westen in Sicherheit gebracht. Er war noch tief bewegt von dem Elend der Menschen an Bord, die größtenteils nur noch das besessen hätten, was sie selber tragen konnten. Auch meine Tante und ich waren mit so einem Schiff vor den anstürmenden Russen aus Gotenhafen geflohen. Die Szenen werde ich nie vergessen, als Tiefflieger mit ihren Bordkanonen in die Flüchtlingsströme in Gotenhafen hineinschossen und eine Frau, die mit ihren Kindern neben uns stand, getroffen wurde. Auch sah ich, wie Frauen und Kinder, die auf ein rettendes Schiff stürmen wollten, in Panik von den nachdrängenden Menschenmassen zwischen Kai und Schiff ins Wasser gestoßen wurden und ertranken. Auch der Alte hatte solche entsetzlichen Szenen viele Male erlebt.
In der Biskaya gerieten wir in einen Südweststurm mit Windstärken 11 bis 12. Dabei hatten sich einige große Stücke der Decksladung und fast alle Fässer losgerissen. Wir standen über 12 Stunden, von Brechern überschüttet, im eisigen Wasser, immer in der Gefahr, über Bord gerissen zu werden, bis wir alles wieder festgezurrt hatten. Einige von uns hatten sich verletzt und es gab keinen, der nicht etwas abbekommen hatte. Unser Alter hatte das Schiff beigedreht und stand die ganze Zeit auf der Brücke. Das bedeutete, er versuchte mit langsamer Fahrt, den Bug des Schiffes in die See zu halten, um den Wellen eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Drückte ein Wellenberg das Schiff wieder quer zur See, war die Hölle los und die Brecher schlugen von der Seite über das ganze Schiff und drückten es über 30 Grad zur Seite. Dabei rissen viele Lashings los. Nachdem wir alles wieder neu gelascht hatten, holte uns der Alte, so nass wie wir waren, zu sich in den Salon und schenkte jedem ein Wasserglas Cognac ein, eine Geste, die man früher auf Segelschiffen „Besanschoten“ nannte und nach einem schweren Sturm eine Anerkennung für die Besatzung war. Ich habe diese Geste nur noch bei einem weiteren Kapitän, auf den ich später noch kommen werde, erlebt. Er war ein genau so menschlicher und charakterlich guter Kapitän wie unser jetziger.
Mit der Einteilung zur Wache des 1.Offiziers hatte ich es gut getroffen. Er war ein ruhiger Vorgesetzter, der niemandem etwas Böses tat und nur seine Ruhe haben wollte. Wir machten auf seiner Wache tüchtig Überstunden, was sich am Ende des Monats günstig auf unsere Heuerabrechnung auswirkte. Da alle wussten, dass das Schiff nach der Reise verkauft werden sollte, riss sich niemand ein Bein aus. Nur der Bootsmann wühlte an Deck wie ein Irrer und versuchte ständig uns anzutreiben. Er stand immer hinter einem und passte wie ein Schießhund auf, dass ja keiner die Kaffeepause überzog. Manchmal benahm er sich wie ein Besessener und wir dachten, bei ihm sei „eine Schraube locker“. Er sprach ostpreußischen Dialekt und sein beliebtester Slogan lautete: „Männers, wir müssten dies..., Männers, wir müssten das...“ Er saß meistens alleine und unterhielt sich mit niemandem. Er wohnte in der Nähe von Bremen und erwähnte einmal nebenbei, dass er eine 17jährige Tochter hätte. Wenn man ihm ans Leder wollte, konnte er ziemlich gefährlich werden, aber davon später. Da wir keinen 3.Offizier an Bord hatten, gingen der 1. und 2.Offizier zwei Wachen zu je sechs Stunden und teilten sich die Heuer des 3.Offiziers. Der Alte ging keine Wache.
Am Vormittag des Weihnachtsheiligenabends übten wir unter Anleitung des Alten Weihnachtslieder und da unsere Kehlen vom vielen Singen trocken geworden waren, wurden sie anschließend tüchtig mit steifem Grog geölt. Am Abend hatten wir alle den richtigen Ton gefunden und saßen mit Ausnahme der Seewachen im Salon des Alten beisammen und sangen gemeinsam unsere einstudierten Lieder. Ein kleiner Weihnachtsbaum mit bunten Kerzen war entzündet worden, und jeder musste eine Geschichte aus seinem Leben erzählen.
Zwischendurch lösten wir die Wachen umschichtig ab, so dass jeder an der Weihnachtsfeier teilhaben konnte. Dazu gab es für jeden einen bunten Weihnachtsteller und steifen Grog. Der Koch hatte eine große kalte Platte gemacht, und der Steward sorgte für den Grog. Der Funker verlas das Standardweihnachtstelegramm der Reederei, und unser Alter hielt eine kleine Ansprache. Es war die schönste und harmonischste Weihnacht auf See, die ich erlebt habe.
Am nächsten Morgen liefen wir in Algier ein, wo am ersten Weihnachtsfeiertag gearbeitet wurde. Da wir für Algier nur wenig Ladung hatten, liefen wir noch am selben Tag wieder aus. In der Nacht brieste es ständig weiter auf, und am Morgen befanden wir uns im Zentrum eines dieser gewaltigen Stürme, die immer wieder ohne Vorwarnung entlang der nordafrikanischen Küste toben können. Man kennt sie unter den Namen „Schirokko“, „Scirocco“ oder „Simoon“. Der Sturm blies aus Süd mit Stärke 10 bis 12, und der Alte musste wieder beidrehen. Aber die bis zu acht Meter hohen Wellenberge stürzten über das Deck, und ein US-Wohnwagen nach dem anderen wurde von der See zertrümmert. Wir versuchten angeseilt den ganzen Tag über, zu retten, was noch zu retten war, aber es wurde für uns zuletzt so gefährlich, dass der Alte die Bergungsversuche einstellen ließ. Zwei Tage tobte der Sturm über uns hinweg, und der Alte zog sich grollend in seine Kammer zurück. Bei jedem neuen Schlechtwetterbericht, den ihm der Funker durch den Türspalt reichen wollte, warf er mit einem Glas nach diesem. Nach zwei Tagen flaute es plötzlich ab und wir konnten nur noch die Trümmer der Wohnwagen und die verstreute Einrichtung einsammeln.
In Tripolis löschten wir unsere gesamte Deckslast und liefen noch am selben Tag in Richtung Patras in Griechenland aus. Die ganze Überfahrt herrschte gutes Wetter. Am Neujahrstag 1956 kamen wir in Patras an und feierten das neue Jahr mit einem großen Trinkgelage. Da wir nur Wein tranken, hatten wir am nächsten Tag alle einen furchtbar schweren Kopf. Von Patras ging es nach Piräus, wo ich Hedwig wiedersah, die uns mit einem kurzen Besuch beehrte. Wie immer, fand sie auch diesmal einige Kunden, die ihren Reizen nach langer Enthaltsamkeit nicht widerstehen konnten. Mit meinem Zimmerkollegen, unserem Leichtmatrosen, kam ich überhaupt nicht gut aus, und nur die Furcht vor den übrigen Matrosen hielt ihn davon ab, auf mich loszugehen, denn der Angriff eines Junggrades auf einen Vollgrad konnte an Bord nicht geduldet werden. Ein Junggrad hatte den Anordnungen des Bootsmanns oder eines Matrosen zu gehorchen, sonst brach die ganze Bordhierarchie zusammen. Verstieß doch mal ein Junggrad gegen diese Regel, bekam er meistens eine vereinigte Tracht Prügel von den Matrosen, und damit hatte sich die Sache. So etwas wirkte sehr abschreckend, und bei zehn oder mehr Zeugen war eine Beschwerde für ihn aussichtslos.
Von Piräus ging es über Istanbul, wo wir nur einige Stunden lagen, nach Konstanza ins Schwarze Meer. Nach dem Löschen sollten wir in Rumänien eine volle Ladung Mais für Bremen laden. Damit fingen unsere Schwierigkeiten an. Wir hatten eine halbe Luke mit Salzheringen in Holzfässern, die für Konstanza bestimmt waren, gelöscht, als wir feststellten, dass davon ein großer Teil beim Sturm im Mittelmeer leckgeschlagen und die Lake ausgelaufen war. Der Laderaum stank furchtbar und musste, da wir ja Mais laden sollten, gewaschen werden. Nun herrschte aber während der ganzen Liegezeit in Konstanza eine Frostperiode, die ein Waschen unmöglich machte. Auch mussten wir ein Getreideschott setzen, was sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Rumänien gehörte zum kommunistischen Ostblock, in dem man die Häfen nur mit einem Passierschein und zu begrenzten Zeiten verlassen konnte. Bis zu einer bestimmten Uhrzeit musste jeder wieder an Bord zurück sein. Ein Nachtleben gab es nicht, zumindest nicht für Seeleute. Nur im Hafen, 50 Meter von unserem Liegeplatz entfernt, gab es eine staatlich organisierte große Bar mit Orchester, Unterhaltungsdamen und einigen Sängerinnen. Für harte Devisen konnte man dort gepflegt Wein trinken, sich unterhalten und tanzen. Diese Bar war erlesen eingerichtet und nicht billig. Kellner bedienten an den Tischen, und ein gutes Programm sorgte dafür, dass die devisenbringenden Gäste bis 4 Uhr morgens bei Laune gehalten wurden. Die Bar hatte einen rumänischen Namen, wurde von den Seeleuten aber nur „Batanga-Bar“ genannt, weil die Besatzung eines gleichnamigen deutschen Schiffes den Laden ein Jahr zuvor in Trümmer gehauen haben soll.
Obgleich das Lokal für meine Begriffe für Seeleute recht teuer war, ging ein Teil unserer Besatzung jeden Abend dorthin, getreu dem alten bekannten Seemannsmotto: „Was nützt dem Seemann all sein Geld, wenn er damit ins Wasser fällt.“ Besonders unser 2.Offizier war ganz begeistert von dem „Etablissement“ und speziell von einer der Sängerinnen. Wir von der Deckscrew arbeiteten jeden Tag bis weit nach Mitternacht an unserem Getreideschott und waren danach viel zu müde, um uns noch umzuziehen und das Tanzbein zu schwingen. Auch unser Alter und die übrigen Offiziere hielten sich zurück, obwohl die Musik verlockend zu uns herüberhallte. Irgendwann vor Mitternacht, wir waren immer noch mit dem Bau unseres Getreideschotts beschäftigt, hörten wir aus der Richtung der Bar lautes Geschrei und klirrende Glasscherben. Einer unserer Leute kam zu uns gelaufen und schrie, dass der 2.Offizier und einige von unserer Crew in eine Schlägerei mit einer italienischen Besatzung verwickelt seien und der Übermacht nicht mehr lange standhalten könnten. Nun, das konnten wir nicht zulassen! Mit Axt- und Schaufelstielen bewaffnet, stürmten wir mit wildem Geschrei in die „Batanga-Bar“. Dort ging es hoch her. Alles schlug wild um sich und unser 2.Offizier war in arger Bedrängnis. Wer gegen wen kämpfte, war nicht mehr auszumachen, aber unsere Streitmacht brachte die Entscheidung.
Nachdem Tische, Stühle und Beine des Pianos zu Bruch gegangen waren und die Damen sich in Panik durch die Notausgänge in Sicherheit gebracht hatten, war der Kampf zu Ende. Als letztes Stück schlug noch ein Banause einen gläserner Notenständer mit einer draufgemalten Palme zu Bruch. Wahrscheinlich waren ihm die Musen zuwider. Die Bar war ein einziges Trümmerfeld. Überall lagen Glasscherben herum und stöhnten Verletzte, darunter auch unser 2.Offizier. Wir stellten fest, dass über hundert Personen an der Schlägerei beteiligt waren, die wahrscheinlich diese Gelegenheit wahrnahmen, um ihre aufgestaute überschüssige Kraft loszuwerden. Als wir das Schlachtfest mit unserem verletzten Zweiten verließen, erwartete uns draußen ein großes Polizeiaufgebot und ein Krankenwagen. Nachdem man die Verletzten, darunter auch unseren 2.Offizier, ins Krankenhaus transportiert und unsere Personalien aufgenommen und dazu den Schiffsnamen festgestellt hatte, durften wir zu unseren Schiffen zurückkehren. Glücklicherweise hatten wir alle unsere Schlagwerkzeuge auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, sonst hätte man uns kaum laufen lassen. An der Gangway erwartete uns bereits ein sehr erboster Kapitän zusammen mit dem 1.Offizier, dem Leitenden Ingenieur und dem Bootsmann. Unser Alter meinte, die Sache würde den 2.Offizier und uns sehr teuer zu stehen kommen, aber er hoffe, das sei uns der Spaß wert gewesen. Es zeigte sich jedoch, dass seine Befürchtungen übertrieben gewesen waren. Am nächsten Tag wurden wir zur Kasse gebeten. Jeder von uns musste ca. 80 DM bezahlen, die ihm von der Heuer abgezogen wurden. Für die Krankenhauskosten mussten die Verletzten selbst aufkommen. Unser 2.Offizier überstand seine Blessuren gut, denn er wurde noch am selben Tag entlassen, und außer vielen blauen und grünen Flecken am ganzen Körper fehlte ihm nichts. Der Alte hatte Recht: der Spaß war uns die 80 Mark tatsächlich wert. Am Abend ertönte aus der „Batanga-Bar“ wieder Musik, und einer unserer Heizer, der sich wieder in die Höhle des Löwen getraut hatte, erzählte uns am nächsten Morgen, die Bar habe wieder im alten Glanz gestrahlt. Auch ein neuer gläserner Notenständer mit Palme habe wieder den Raum geschmückt. Wahrscheinlich hatten die Betreiber aus Erfahrung immer eine Reserveeinrichtung auf Lager. Was die Schlägerei ausgelöst hatte, war nicht ganz klar, vermutlich war es die von unserem Zweiten angehimmelte Sängerin.
Nun, irgendwann setzte Tauwetter ein, und wir konnten die Laderäume waschen und irgendwann wurden wir auch mit dem Bau unseres Getreideschotts fertig. Kurz darauf traf auch die Ladung ein, und einige Tage später war unser Schiff voll mit Mais beladen und wieder auf der Rückreise nach Bremen. Auf See wollte einer der Heizer, ein großer kräftiger junger Bursche dem Bootsmann eine Abreibung verpassen. Er lauerte ihm vorne unter der Back im Kabelgatt, wo keine Zeugen zugegen waren, auf und war sich seiner Sache sehr sicher. Anschließend kam er bleich und mit schlotternden Knien zurück. Wie er uns erzählte, hatte er den Bootsmann an ein Schott gedrückt und wollte gerade zuschlagen, als dieser, so schnell konnte der Heizer gar nicht gucken, sein großes Klappmesser gezückt hatte. Er habe ihm die Klinge gegen den Bauch gedrückt, ihn mit ausdruckslosem Gesicht und eiskalten Augen angeblickt und gesagt, wenn er sich weiter bewege, könne er sich mal seine Eingeweide beschauen. Der Heizer war voll davon überzeugt, dass der Bootsmann seine Drohung wahrgemacht hätte. Heinrich war uns schon immer unheimlich gewesen, danach um so mehr.
Wir hatten die ganze Rückreise über gutes Wetter, auch in der Biskaya und machten an einem Sonntagmorgen am Getreidesilo in Bremen fest. Da erst am nächsten Morgen gearbeitet wurde, gingen einige von uns abends „an die Küste“ auf den Wallring, wo sich das Rotlichtviertel befindet. Früh am Morgen, ich lag noch in meiner Koje, kam mein Leichtmatrose mit einem „Feger“ in die Kammer. Er hatte ihn im „Golden City“, einer der damals berüchtigten Kaschemmen, aufgegabelt und kam gleich zur Sache. Kaum waren sie über mir in der Koje, ging es bereits während des „Bumsens“ mit dem Gefeilsche um das Honorar los. Da hatte er sich wirklich ein hartes Kaliber ausgesucht. Zuerst beschwerte sie sich über seinen „langen Schwanz“, das würde extra kosten und ohne Kohlen vorweg würde überhaupt nichts laufen. Da dieses Gezeter eine ganze Weile dauerte, wurde ich sehr böse und verbat mir lautstark die Ruhestörung. Beim Aufstehen zum Arbeitsbeginn hatte ich dann Gelegenheit, mir diesen „Feger“ genauer anzusehen. Sie war ca. 24 Jahre alt, blond, hatte ein hartes, aber nicht unattraktives Gesicht und war von der ganz abgebrühten Sorte. Wenn sie den Mund aufmachte, konnte selbst ein Hafenarbeiter rot werden. Sie erklärte unserem Leichtmatrosen, dass sie auch schon im Puff gearbeitet hätte und dass sie Kohle von ihm sehen wolle, sonst könne er was erleben.
Nachdem wir das Schiff an Deck zum Löschen klar gemacht hatten und anschließend zum Frühstück in der Messe saßen, ging das Geschrei in meiner Kammer erst so richtig los. Unser Leichtmatrose kam ganz kleinlaut in die Messe und erzählte uns, dass sein „Feger“ sein Seefahrtbuch „beschlagnahmt“ habe und es nur gegen zusätzliche Kohle herausgeben wolle. Er habe ihr ja schon Geld gegeben, aber sie wolle mehr. Nun gingen wir alle zusammen in unsere gemeinsame Kammer und erlebten dort den leibhaftigen Terror. Sie saß immer noch mit entblößtem Oberkörper und prallen Brüsten in der Koje und legte so richtig los: Der Leichtmatrose habe ihr an Land mehr Geld versprochen und wegen seines übergroßen Gliedes täte ihr alles weh. Der Leichtmatrose beschwerte und verteidigte sich hingegen, sie habe immer „eine Falle gebaut“ (zwei gefaltete Hände vor der Vagina). Als er versuchte, sein Seefahrtbuch mit Gewalt aus ihrer Tasche zurückzuholen, sprang sie ihn, nackt wie sie war, wie eine Tigerin an und kreischte dabei wie eine Furie. Dem war er nicht gewachsen. Sie hatte ihn so in der Mangel, dass wir es mit vereinten Kräften kaum schafften, sie von ihm zu trennen. Aber damit nicht genug. Nackt, wie sie war, wollte sie mit ihrer Handtasche übers Deck mittschiffs zum Alten stürmen, um dort ihr Geld einzuklagen, was wir natürlich verhinderten. Als sie so mit ihrem nackten gutgebauten Körper und zornsprühenden Augen vor uns stand, imponierte sie uns trotz all ihrer Verworfenheit doch sehr. Auch in unserem Beruf mussten wir uns hart durchschlagen, und uns wurde nichts geschenkt.
Da gegen Mittag die Ehefrau und Tochter unseres „Donkeymans“ zu Besuch an Bord kommen wollten, gaben wir unserem Leichtmatrosen eine Stunde Zeit, seine Angelegenheit in Ordnung zu bringen und seinen „Feger“ von Bord zu schicken. Genau nach Ablauf dieser Frist verließ die „Dame“ das Schiff erhobenen Hauptes. Gegen Mittag kamen Frau und Tochter des „Donkeymans“ an Bord. Die Tochter war ein junges unverdorbenes Mädchen, das in der Messe bei der Backschaft mithalf. Sie war, wie man damals sagte, ein „Backfisch“ und wir mochten sie auf Anhieb. Wenn wir in der Messe bei unseren derben Redensarten manchmal vergaßen, dass sie anwesend war und sie errötete, wurde uns der Gegensatz zwischen der „Dame“, die erst am Vormittag das Schiff verlassen hatte, und diesem unverdorbenen Mädchen so richtig bewusst. Nach dem Löschen verholten wir das Schiff zu einer Wartekai. Es sollte noch am selben Tag der neuen Reederei übergeben werden. Wir hatten schon alle unsere Sachen gepackt und auch bereits unsere Abschlagszahlung erhalten. Der Rest sollte in Hamburg ausgezahlt oder überwiesen werden. Gegen Abend traf die neue portugiesische Besatzung ein, und unser Alter und ein Reedereivertreter übergaben das Schiff dem neuen Kapitän.
Wir verabschiedeten uns von den aus Bremen und Umgebung stammenden Kollegen, dem Bootsmann, dem Donkeyman und unserem Leichtmatrosen. Letzterer war ziemlich kleinlaut geworden und froh, Abstand von uns zu gewinnen. Wir etwa 21 Hamburger stiegen in den von unserer Reederei gemieteten Bus und fuhren in Richtung Hamburg. Da wir aus den Restbeständen der Kantinenware vorher bereits alle tüchtig einen zur Brust genommen hatte, waren wir bester Stimmung. Unterwegs ließ der Alte zur Abendbrotzeit an einer Raststätte auf der Autobahn halten. Nach einer guten Unterlage bestellte er uns einige Runden Bier und Korn. Nachdem auch wir noch weitere Runden geschmissen hatten, wurden wir alle noch fröhlicher. Das Lokal war mit Fernfahrern voll besetzt und als wir anfingen, den „Hamburger Veermaster“ und „Rolling Home“ zu singen, fand die Verbrüderung mit den Kapitänen der Landstraße statt. Spät am Abend, kurz vor Mitternacht, erreichten wir mit unserem Bus den Hamburger Hauptbahnhof, unsere Endstation. Wir verabschiedeten uns von unseren Offizieren und unserem Alten, der uns allen ein so guter und menschlicher Vorgesetzter gewesen war. Ich glaube nicht, dass ihn einer von uns je vergessen hat.
Während der Alte und die Offiziere per Taxi zu ihren Familien fuhren, gaben wir verbliebenen 16 Mann, bevor um Mitternacht die Schalter schlossen, unser Gepäck zur Aufbewahrung ab. Da das Reedereikontor erst um 9 Uhr die Pforten öffnete, mussten wir bis dahin warten. Wir beschlossen, zusammenzubleiben und die Gegend um den Hauptbahnhof zu inspizieren. Das Nachtleben des Steindammviertels, obwohl kleineren Ausmaßes, stand immer schon in Konkurrenz zur Reeperbahn. Wie suchten etliche Kaschemmen heim, aber da wir alle beieinander blieben, gingen uns die Zuhälter und Schläger aus dem Wege. Gegen Tagesanbruch befanden wir uns in einem Kellerlokal mit dem Namen „3000 Millimeter unter dem Erdboden“, wahrscheinlich in Anlehnung an den Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“ von Jules Verne. Das Lokal war brechend voll und machte wahrscheinlich um diese Zeit das beste Geschäft. Alles, was in der Unter- und Halbwelt einen Namen hatte, war wahrscheinlich hier versammelt, jedenfalls viele Nutten, Zuhälter und Ganoven. Einige hundert Jahre Zuchthaus kamen da sicherlich zusammen. Irgendwann bekam einer von uns mit einer Nutte Streit und als ihn einige Zuhälter in die Mangel nehmen wollten, standen sie unserer geballten Phalanx gegenüber. Sechzehn mit Stühlen und Barhockern bewaffnete und zu allem entschlossene Seeleute waren selbst für sie zuviel. Der Wirt, der sein Lokal schon in Trümmern sah, warf sich dazwischen. Nach einigen Runden Freibier und Korn waren wir besänftigt und feierten mit der Unterwelt Versöhnung.
Mit schwerer Schlagseite, wankend und grölend, aber heiterer Stimmung, begaben wir uns gegen 10 Uhr auf den Weg zur Reederei. Die Leute auf der Straße machten zuvorkommend Platz, und auch die Polizei wollte mit uns, nachdem wir unsere Seefahrtbücher vorgezeigt hatten, nichts zu tun haben. Auf der Reederei begegnete uns der Alte, der sich dort schon gleich zurückgemeldet hatte, und wir stimmten sofort wieder das Lied vom „Hamburger Veermaster“ an. Der Alte war gerührt, die Reedereileute erbost und bemüht, uns so schnell wie möglich die Restheuer auszuzahlen, damit wir bald wieder verschwinden konnten. Bei der Gepäckaufbewahrungsstelle am Bahnhof sahen wir uns alle das letzte Mal, und dann entschwand jeder in seine eigene Richtung. Ich quartierte mich diesmal im Hamburger Seemannshaus in der Seewartenstraße direkt über dem Heuerstall ein.
Ich hatte zuletzt ganz verschiedene Schiffe und zwei extrem unterschiedliche Kapitäne kennen gelernt. So unterschiedlich können Vorgesetzte sein: einer arrogant und menschenverachtend, der andere menschlich und charakterlich äußerst korrekt. Ich fahre seit über 46 Jahren zur See, davon 25 Jahre als Kapitän. Niemals habe ich es verstanden, dass Kapitäne und Offiziere, die selbst „vor dem Mast gefahren haben“, sich zu solchen arroganten Scheusalen entwickeln konnten. Damals wurde niemand Schiffsoffizier oder Kapitän, der nicht selbst als Moses, Jungmann, Leichtmatrose und Matrose gefahren hatte. Später, als ich nach der Navigationsschule aus dem Mannschaftsstand plötzlich als nautischer Offizier an Bord kam, sagte man mir, dass ich nun meine „Matrosenallüren“ ablegen müsse, am besten, ich würde vergessen, überhaupt als Matrose gefahren zu sein. Ich sei jetzt Offizier und müsse aus disziplinarischen Gründen zur Crew an Bord den nötigen Abstand wahren und jeden privaten Kontakt meiden. Ich sah und sehe ein, dass an Bord ein gewisser Abstand zur Mannschaft bestehen muss. Man kann nicht als Offizier mit der Mannschaft an Bord oder an Land saufen und zusammen huren gehen und anschließend erwarten, respektiert zu werden. Aber dass ich selbst einmal als Matrose gefahren bin und auf dem Heuerstall herumlungern musste, habe ich nie vergessen. Es war und ist auch heute noch meine Meinung, dass dieser Abstand nicht in grenzenlose Arroganz ausarten darf, wie ich es als Mannschaftsgrad bei vielen Vorgesetzten erlebt habe. Solche seelischen Krüppel konnten sich damals nur wegen einer überalterten Seemannsordnung - vom 2. Juni 1902, ergänzt am 24. Juli 1930 - an Bord halten. In einem Landbetrieb wäre ihnen die Belegschaft fortgelaufen.
Nach der „Hasselburg“ hielt ich mich einige Wochen im Seemannshaus auf. Auf dem Heuerstall traf ich einen Matrosen wieder, mit dem ich einmal zusammen an Bord war. Auch er hatte gerade abgemustert und wohnte im selben Hause. Wir gingen öfter zusammen in die im Hause befindliche bereits erwähnte Kneipe und ließen uns von „Schorsch“ bedienen. In diesem Seemannshaus hatten sich einige merkwürdige Gestalten einquartiert, die Säufergemeinschaften bildeten. Auf meinem Stockwerk wohnten zwei ältere Heizer, die jeden Tag voll waren. Sie waren mit einem dritten Heizer in einer solchen „Gemeinschaft“, der zur Zeit auf See war und ein halbes Jahr lang jeden Monat seine Heuer an seine beiden Genossen schickte, die das Geld dann versoffen. Nach dem halben Jahr wurde gewechselt. Einer der beiden an Land verbliebenen Heizer ging an Bord und übernahm die Stelle des Geldbeschaffers. So wechselte man sich umschichtig ab, und es ging wahrscheinlich so lange weiter, bis sich einer der drei tot gesoffen hatte - auch eine Art zu leben.
Eines Nachts wurde der alte Portier Ludwig in seiner Loge von zwei maskierten Männern überfallen und angeschossen. Die Täter, ein junger Bursche und ein 30jähriger Mann, wohnten beide in unserem Seemannshaus. Sie wurden wenig später gefasst. Ihre Beute hatte nicht einmal 50 Mark betragen. Alle Bewohner des Seemannshauses waren über diese sinnlose Tat empört und wäre es nach uns gegangen, wären die Täter nicht mit Zuchthaus davongekommen. Ludwig war über 60 Jahre alt, pensioniert und eine Seele von Mensch. Wenn ein Seemann seine Miete nicht pünktlich bezahlen konnte, was normalerweise zum Rausschmiss führte, unterdrückte er oft die Meldung an das Büro, bis der Säumige das Geld aufbringen konnte. Nicht selten legte er von seiner schmalen Rente die offene Summe für den Schuldner aus. Es gab niemanden im Hause, der ihn nicht mochte. Ludwig erholte sich nicht wieder von seiner Schussverletzung und starb kurz darauf. Wir trauerten alle um ihn, denn er war für uns Seeleute immer ein vertrauter Freund gewesen.
Das Seemannsleben ist nicht ungefährlich, und es muss nicht immer ein Sturm oder Orkan sein, der ein Schiff zum Sinken bringen kann. Ich fuhr bereits eine Zeitlang als Matrose auf dem M/S „NORDWIND“ der Reederei A. J. Zachariassen in Hamburg. Wir hielten uns meistens im Mittelmeer auf und bekamen eines Tages die Order, in Griechenland Bleierz zu laden. Der Hafen, eigentlich nur eine kleine Anlegestelle, befand sich in einer schmalen, verlassenen, felsigen Bucht direkt am Bergwerk. Das Bleierz wurde mit einer Art Seilbahn zu einem Kran transportiert und anschließend ins Schiff geladen. Da sich das Bleierz in Pulverform befand, wurde es zum sicheren Schiffstransport mit einer vorgeschriebenen Wassermenge angereichert. Damit sollte die Gefahr ausgeschlossen werden, dass das Erz bei den Schlingerbewegungen des Schiffes auf eine Seite rutschen und es dadurch zum Kentern bringen konnte. Durch sein hohes spezifisches Eigengewicht zusammen mit der Feuchtigkeit sollte das geladene Bleierz auch den stärksten Schlingerbewegungen unbeweglich standhalten. Nach vier Stunden hatte das Schiff die vorgeschriebene Lademarke erreicht. Durch das starke Eigengewicht dieser Ladung waren die Laderäume nur etwa zu einem Drittel gefüllt, was nach sehr wenig aussah, jedoch gewichtsmäßig stimmte. Gleich nachdem wir seeklar waren, mussten wir den Liegeplatz noch abends verlassen und in See gehen, da schon ein neues Schiff erwartet wurde.
Gegen 5 Uhr am Morgen, fünf Stunden nach meiner Wache, wurden wir durch die Alarmglocke aus dem Schlaf gerissen. Das Schiff lag mit 40 Grad Schlagseite nach Steuerbord über, und alle Bullaugen der unteren Kammern, wozu auch meine zählte, befanden sich unter dem Wasserspiegel. Gott sei Dank waren sie alle vorschriftsmäßig verschlossen. Wir stürzten sofort auf das Bootsdeck zu den Rettungsbooten und legten unsere Schwimmwesten an. Durch die gewaltige Schlagseite, hatten wir Mühe, uns auf den Beinen zu halten. Der Wind blies mit Stärke 5 bis 6 von der Backbordseite her und das gesamte Steuerbordhauptdeck stand bis zur Lukenoberfläche unter Wasser. Uns wurde die Gefahr, in der wir uns befanden. erst jetzt richtig bewusst, denn jeden Augenblick konnte unser Schiff kentern. In diesem Moment stellte ich auch mit Schrecken fest, dass ich meine Brieftasche mit meinen persönlichen Papieren in meiner Kammer vergessen hatte. Ich stürzte also noch einmal unter Deck zu meiner Kammer, wobei ich mich im Gang an den Wänden abstützen musste. Unterdessen hatte der Alte das Schiff mit dem Bug in den Wind gedreht, um ein Überholen des Schiffes durch die See zu verhindern. Als ich mit meiner Brieftasche wieder an Deck erschien, erfuhr ich, dass der Funker bereits „SOS“ gegeben hatte und der Alte um Assistenz durch in der Nähe befindliche Schiffe bat.
Inzwischen erfuhren wir auch, was geschehen war. Die gesamte Ladung war durch die Schlingerbewegungen und den wahrscheinlich zu hohen Wassergehalt breiig geworden und auf die Steuerbordseite gerutscht. Dort lag sie nun. Nachdem sich die erste Panik gelegt hatte, befahl der Alte, mit allen Mann in die Laderäume zu gehen und zu versuchen, die breiige Ladung mit Schaufeln nach der Backbordseite zu trimmen. Das war ein gefährliches und auch aussichtsloses Unternehmen, da unser Schiff ja jeden Moment kentern konnte. Auch glaubten wir nicht, dass wir mit unseren Schaufeln Tausende Tonnen auf von einer auf die andere Seite bewegen könnten. Trotzdem begaben wir uns angeseilt in die Laderäume und versuchten, bei dem trüben Licht der Kabellampen die Ladung zu trimmen. Wir hingen wie Artisten an den Seilen über der Ladung und schaufelten den Bleischlamm auf die Backbordseite. Der Bleibrei war so schwer, dass wir immer nur eine halbe Schaufel voll schippen konnten. Außerdem mussten wir höllisch aufpassen, nicht im Schlamm zu versinken, obwohl wir angeseilt waren. So schaufelten wir Stunde um Stunde um unser Leben, und gegen Mittag hatten wir vielleicht zehn Tonnen bewegt, als der Alte das Unternehmen wegen Aussichtslosigkeit abbrach. Unterdessen hatte sich uns das damals größte deutsche Handelsschiff, der Tanker „Esso Deutschland“ auf 1 ½ Seemeilen genähert, um uns im Falle eines Untergangs aufzunehmen. Unser Alter entschied sich, Kalamata als Nothafen anzulaufen. Es war der einzige in der Nähe liegende, unserem Tiefgang entsprechende Hafen, der uns blieb - sofern wir ihn denn heil erreichten. Kalamata liegt auf der südlichen Seite der Insel Peloponnes und zählte damals ca. 30.000 Einwohner.
Der Hafen war nicht besonders groß und wurde meistens von Küstenschiffen angelaufen. Nachdem wir über Funk dort einen für unseren Tiefgang entsprechenden Anlegeplatz gefunden hatten und uns bei der „Esso Deutschland“ für die Assistenz bedankt hatten, liefen wir mit langsamer Fahrt bei 40 Grad Schlagseite in Kalamata ein. Trotz des frühen Morgens war die Kai mit Hunderten Schaulustigen besetzt, die sich das einmalige Schauspiel unserer Ankunft nicht entgehen lassen wollten. Die ganze Zeit bis zum Einlaufen hatten wir uns mit unseren Schwimmwesten auf dem Bootsdeck aufgehalten und nur zum Anlegen begaben wir uns vorsichtig nach vorne und achtern auf unsere Positionen. Es dauerte etwa eine Woche, bis die verschiedenen Experten und die Versicherungen entschieden hatten, die Ladung an die Kai zu löschen. Nach dem Abtrocknen und dem Bau eines Schotts in den Laderäumen, ähnlich einem Getreideschott, sollte die Ladung wieder an Bord genommen und zum Bestimmungshafen Rotterdam gebracht werden.
Da unser Ladegeschirr für diese spezielle Ladung nicht geeignet war, wurde ein Autokran mit einem Greifer gechartert. Gleich am ersten Löschtag passierte ein Unglück. Als der Autokran den ersten vollen Greifer aus dem vorderen Laderaum hieven wollte, brach der Ausleger ab und der Räderuntersatz mit dem Kranhaus wurde zwischen Kai und Schiff gezogen. Der Kranführer konnte sich, Gott sei Dank, noch gerade mit einem Sprung von seinem Sitz an die Kai retten. Danach passierte einige Tage gar nichts, und wir hatten die undankbare Aufgabe, den Kranausleger angeseilt und in Bootsmannsstühlen sitzend, vom Greifer zu trennen. Da der Greifer im Bleischlamm versackt war, konnten wir nur die Drahtseile zum Ausleger kappen und diesen mit unserem Ladegeschirr an die Kai hieven. Unterdessen hatte man zwei schwere Autokräne beschafft, die das zwischen Schiff und Kai hängende Autokranwrack bargen und anschließend endlich mit dem Löschen begannen. Aber auch sie konnten ihre Greifer wegen der schweren Ladung nur bis zu einem Drittel füllen, sonst wäre es ihnen genau so ergangen, wie dem unglücklichen Vorgänger. Da das Löschen sehr langsam vonstatten ging, hatten wir unterdessen eine schöne Zeit. Nach acht Stunden Arbeitszeit konnten wir den Landgang nach den aufregenden Tagen richtig genießen.
Kalamata war also ein typischer kleiner Coaster- und Fischereihafen ohne Fremdenverkehr und Touristen. Die letzten Deutschen hatte man Ende des Krieges gesehen und da sie sich anscheinend anständig benommen hatten, wurden wir überall freundlich behandelt. Etwa 20 Meter von unserem Schiff entfernt befand sich eine kleine Taverne. Daneben stand ein großer, Schatten spendender, Baum mit Tischen und Stühlen. Dort tranken unsere Hafenarbeiter während der Mittagspause ihren Wein und Ouzo. Auch wir verbrachten dort nach Feierabend unsere Zeit. Da ein Glas Wein sehr billig war, saßen wir manchmal bis Mitternacht in der Taverne, und der Wirt machte das Geschäft seines Lebens. Unseren Alten sahen wir dort nie. Er hieß mit Nachnamen Franz, war ca. 45 Jahre alt, mittelgroß, sehnig und trat fast nie so recht in Erscheinung. Während des Krieges, so wurde sich an Bord erzählt, soll er auf Minenräumschiffen gefahren sein, und aus dieser Zeit stammte wahrscheinlich auch eine seiner Marotten. Man sah ihn nämlich nie ohne seine lange U-Boot-Lederhose. Einige von uns wetteten, dass sie nachts vor seinem Bett stehen würde und er morgens nur in sie hineinsteigen brauchte.
In Kalamata gab es auch einen Puff, der aus zwei stabilen ca. 40jährigen Damen bestand, die über mangelnde Arbeit nicht klagen konnten. Unser 1.Steward war ein hagerer, drahtiger Mann, Anfang Fünfzig, über dessen Potenz sich die Nutten in den vorher angelaufenen Häfen wahre Wunderdinge erzählt hatten. Er „verlobte“ sich gleich nach einer Woche mit einer dieser „Liebesmaschinen“. Am Morgen, wenn wir an Deck zur Arbeit gingen, sahen wir ihn jeden Tag, wie er sich mit letzter Kraft über die Gangway an Bord schleppte. Einmal liefen sechs französische Schnellboote zu einem Flottenbesuch ein, und die beiden Damen hatten Hochsaison. Ich habe selbst gesehen, wie die jungen Burschen mit ihren schicken Uniformen in Zweierreihe vor ihren Türen standen und auf Abfertigung warteten. Es müssen an den beiden Tagen über hundert gewesen sein. Unser Steward erzählte uns, dass seine „Verlobte“ nach Mitternacht nur noch apathisch und total geschafft wie ein großer Frosch auf dem Rücken liegen würde. Sie hatte ihm ein goldenes Armbändchen geschenkt, und am Sonntag, wenn der Puff geschlossen war, sah man beide händchenhaltend durch die Stadt spazieren gehen. Es ist schon merkwürdig, wohin manchmal die Liebe fällt. Kalamata war eine sehr sittenstrenge Stadt, und es war keinem von uns gelungen, bei der einheimischen Damenwelt eine Eroberung zu machen. Die Mädchen mussten jungfräulich in die Ehe gehen. Über die Moral wachte die mächtige orthodoxe Kirche. Da der Sexualtrieb bei einigen an Bord die Sturmstärke 12 erreichte, bekamen die beiden einzigen dafür zuständigen Damen auch von unserem Schiff regen Besuch, so dass alles in der Familie blieb.
Irgendwann nimmt auch das langsamste Löschen und Laden ein Ende und nachdem wir uns rechtzeitig mit genügend Wein- und Ouzoflaschen eingedeckt hatten, verließen wir eines Tages Kalamata mit Kurs auf Rotterdam. Viele unserer griechischen Freunde und Bekannten, die wir in der langen Liegezeit kennen gelernt hatten, standen beim Ablegen an der Kai und winkten uns nach.
Da ich mich an der Seefahrtschule in Hamburg zum A5-Lehrgang - „Steuermann auf Großer Fahrt“ - angemeldet hatte und auf Antwort wartete, wurden meine Fahrzeiten immer kürzer. Mein Fahrtgebiet beschränkte sich dadurch auf die Nord-, Ostsee- und Mittelmeerfahrt, um erforderlichenfalls rechtzeitig abmustern zu können. In der Zwischenzeit erfuhr ich, dass auf Druck der deutschen Reeder wegen des damaligen Nautikermangels in der deutschen Schifffahrt die Lehrgänge für A5 suspendiert worden waren, um ein neues Patent A5II einzuführen. Dieses neue Patent sollte den Mangel an zweiten und dritten Offizieren beheben und den Inhaber berechtigen, als 2.Offizier zu fahren. Nach zweijähriger Fahrzeit sollte er dann das letzte fehlende Semester für das Patent A5 - „1.Steuermann auf Großer Fahrt“ nachholen und gleich anschließend das Patent A6 - „Kapitän auf Großer Fahrt“ - machen können.
Eines meiner letzten Schiffe als Matrose war das Motorschiff „Heilbronn“ von der Reederei Polio & Jatzek in Hamburg. Die Reederei betrieb auch eine kleine Werft, die hauptsächlich Barkassen und Fährschiffe für die Elbe baute. Ihr größter Abnehmer war die Fährschiffreederei HADAG. Die „Heilbronn“ war das einzige Seeschiff dieser Reederei und bevor es zum Frachtschiff umgebaut worden war, hatte es als Marineeisbrecher gedient. Das Schiff hatte einen gewaltigen Eisbrechersteven. Streng genommen war die „Heilbronn“ ein übergroßes Kümo und nach den damaligen Maßstäben nautisch auf das Modernste ausgerüstet. Es verfügte über „Decca-Navigation“, Radar und einen Kreiselkompass mit Selbststeuerung.
Der Kapitän hieß Hansen und war ehemaliger U-Bootkommandant. Für uns verkörperte er die Idealgestalt eines Kapitäns. Er vermittelte uns das Gefühl, dazu zu gehören und nicht nur ein deklassiertes Subjekt zu sein, über welches man Kraft seiner Machtfülle nach Laune und Belieben verfügen konnte. Unser Alter war Anfang vierzig und strahlte Autorität, Ruhe und Besonnenheit aus. Viele Kriegsveteranen, die auf U-Booten gedient hatten, bescheinigten den meisten Ex-Kommandanten diese Eigenschaften. Unser Alter grüßte jeden und nahm Anteil, wenn ein Besatzungsmitglied verletzt oder krank war. Seine Schiffs- und Menschenführung war vorbildlich. Wenn man uns später als angehenden Offizieren auf der Navigationsschule in einem gesonderten Fach „Menschenführung“ zu vermitteln suchte, musste ich immer an unseren Alten von der „Heilbronn“ denken. Ich gehe hier so ausführlich auf dieses Thema ein, um zu unterstreichen, wie das Bordklima von einer einzigen Person abhängen kann. Der Kapitän alleine bestimmt an Bord durch seine Persönlichkeit und seinen Charakter das Betriebsklima. Mögen alle anderen Offiziere gute oder schlechte Führungsqualitäten oder Charaktereigenschaften haben, die Maßstäbe in der Menschenführung an Bord setzt der Kapitän.
Für das Zusammenleben und gemeinsame Arbeiten an Bord auf engstem Raum, wo sich Dienst und Privatleben ständig überschneiden, ist ein gutes Betriebsklima und Vertrauensverhältnis zur Schiffsführung mit das Wichtigste. Unser Alter war immer sorgfältig rasiert und auch bei schwerem Wetter oder tagelangem Nebel war seine Kleidung immer akkurat in Ordnung. In dieser Hinsicht konnte er den ehemaligen Marineoffizier nicht verleugnen. Trotz der dienstlichen Distanz, die er zu seinen Offizieren und zur Mannschaft hielt, vergaß er uns gegenüber nie seine Fürsorgepflicht. Seine Distanz artete nie in Arroganz oder Geringschätzung aus. Wenn wir manchmal im Regen oder eisiger Kälte die Laderäume bis spät in die Nacht wuschen und danach total durchnässt und durchgefroren in unsere Logis wankten, holte er uns alle in seinen Salon, und jeder bekam einen Schluck guten Cognac als Anerkennung. Alleine diese Geste zeigte uns, dass wir „dazugehörten“, und wir taten unser Bestes, um das Schiff rechtzeitig wieder ladebereit zu machen. Im Vergleich zum Alten auf der „Nordmeer“, den wir wegen seiner menschenverachtenden Arroganz und charakterlichen Unzugänglichkeit so abgrundtief verachtet und gehasst hatten, war die Erfahrung mit diesem Kapitän abstechend erfreulich.
Die „Heilbronn“ hatte außer dem Kapitän und dem Leitenden Maschineningenieur nur zwei nautische Offiziere, die sich auf See alle sechs Stunden ablösten. Der 1.Offizier hieß Schenk, war 45 Jahre alt und ein ruhiger, ausgeglichener Mann, mit dem man sehr gut auskam. Er trank mit dem Chief und uns nach Feierabend gern ein Glas Bier oder bei Kälte einen Grog. Der 2.Offizier war ca. 30 Jahre alt und ein echter „Kümomann“, aber von der angenehmen Sorte. Einen 2. oder 3.Maschineningenieur fuhr das Schiff nicht. An den Bootsmann kann ich mich noch besonders gut erinnern. Er war klein, untersetzt, hatte dunkle Augen und trug einen schwarzen Bart. Er war um Anfang 30 Jahre alt. Sein Lieblingsthema waren Pferde. Er stammte aus Russland und hatte auf deutscher Seite bei einer antisowjetischen Kosakeneinheit gedient. Nach dem Krieg fand er in der Seefahrt Brot und Bleibe und brachte es bis zum Bootsmann. Er heiratete eine sehr stabile hellblonde Nordfriesin und hatte eine reizende sechsjährige hellblonde Tochter, die echt friesisches Platt sprach. Unser Bootsmann war ein ausgezeichneter Seemann und wir alle respektierten ihn. Wenn wir mal nach Feierabend zusammensaßen und das Gespräch kam auf Pferde, war er nicht mehr zu halten und geriet ins Schwärmen. Er liebte Pferde über alles, und so ähnlich wie ihn hatte ich mir einen echten Kosaken immer vorgestellt. Er hatte keine Verwandten mehr und besaß die deutsche Staatsbürgerschaft.
Wir bedienten mit unserem Schiff Häfen in der Nord- und Ostsee zwischen Holland, Belgien, Schweden, Dänemark und Deutschland. Meist bestand unsere Ladung aus Kohle, Kali oder Getreide, und wir mussten fast nach jeder Reise unsere Laderäume waschen. Da die Reisen nur kurz waren, wurden wir alle sehr gefordert, verdienten aber durch die vielen Überstunden recht gut, so dass sich keiner über den fehlenden Landgang beschwerte. Dazu kam das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die alle Beschwernisse gemeinsam teilt. Der Alte versuchte, unser eintöniges Leben an Bord dadurch zu erleichtern, dass er vom Koch am Sonntag einen Kuchen backen oder ein besonderes Essen zubereiten ließ. In Sachen Disziplin verstand er keinen Spaß und ich kann mich nicht erinnern, dass sich einer von uns etwas zuschulden kommen ließ. So ähnlich stellte ich mir damals das Leben auf einem U-Boot vor, wo Kapitän, Offiziere und Mannschaft eine Schicksalsgemeinschaft bildeten und jeder einzelne, auch der niedrigste Dienstgrad, seinen Beitrag zum Wohle des Bootes und der Besatzung zu leisten hatte. Da das Schiff nach dem Mittelmeer gehen sollte und ich ja durch meine Anmeldung zur Navigationsschule in der Nähe bleiben musste, verließ ich in Hamburg schweren Herzens die „Heilbronn“. Ich habe diesen bemerkenswerten Kapitän nie vergessen, der gute Menschenführung praktizierte und mir dadurch bis heute in guter Erinnerung geblieben ist. Einige Jahre später, als ich als 2.Offizier fuhr, traf ich ihn in Hamburg als Hafenlotse wieder.
Nach einer kurzen Zeit an Land gab ich ein kurzes Gastspiel auf dem M/S „MICHAEL“ der Holsten-Reederei. Das Schiff lag zur Überholung für zwei Monate in der „Deutschen Werft“ in Finkenwerder und verdrängte ca. 9.000 Tonnen. Die „Michael“ war ein alter zum Motorschiff umgebauter Kohlensteamer mit Dampfwinden an Deck und das einzige Schiff der Reederei. Wir von der Mannschaft wohnten, wie damals üblich, achtern unter der Poop am Heck, und unsere einzige Beschäftigung in der Werft war „Rostklopfen“. Entrostet wurde mit speziellen Rosthämmern und zwei elektrisch betriebenen Rostmaschinen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel Rost geklopft bzw. entfernt wie auf der „Michael“. Das Schiff muss danach mindestens 20 Tonnen leichter geworden sein und das Deck entsprechend dünner.
Der Kapitän stammte aus dem Baltikum. Ich kann mich nur vage an einen ca. 40jährigen kräftigen und schweigsamen Mann erinnern. Wir bekamen ihn nur selten zu Gesicht. Jegliche Erinnerung fehlt mir an die Offiziere. Unser Bootsmann war von der harten Sorte: etwa Mitte vierzig, kräftig, versoffen, brutal, verschlagen und äußerst gefährlich. Er war der geborene Antreiber und verstand seinen Job als Bootsmann. Wehe aber, jemand kam ihm zu nahe oder forderte ihn gar heraus. So schnell konnte man gar nicht gucken, da hatte er bereits zugeschlagen. Auch war er sehr schnell mit dem Messer zur Hand, so dass sich keiner ein zweites Mal traute, sich mit ihm anzulegen. Wir hatten einige sehr raubeinige Schläger vom „Kietz“ unter der Mannschaft, die ihm ans Leder wollten und furchtbare Prügel bezogen. Seine Frau, von der er angeblich geschieden war, kam manchmal ziemlich angetrunken an Bord, und dann war wirklich etwas los. Es setzte Prügel, und ihr Wehgeschrei konnte man durch das ganze Achterschiff hören. Ich selbst kam gut mit ihm aus. Am Wochenende bekamen wir einen Vorschuss auf unsere Heuer, den die meisten Kollegen gleich in Finkenwerder auf den Kopf hauten. Da die Nachtwache nicht begehrt war, übernahm ich diese oft, so dass ich tagsüber an Land gehen konnte. Das heißt jedoch nicht, dass ein guter „Nachtmann“ morgens immer ausgeschlafen hat.
Nach der Werftzeit gingen wir in Ballast durch den Nord-Ostsee-Kanal in Richtung Visby in Gotland, wo wir Zement in Säcken für Aden im Persischen Golf laden sollten. Da ich inzwischen von der Seefahrtsschule in Hamburg den Antrittstermin für meinen A5II-Lehrgang bekommen hatte, musterte ich nach der Passage des Nord-Ostsee-Kanals in der Schleuse in Kiel-Holtenau ab.
amüsant und spannend wird über das Leben an Bord vom Moses bis zum Matrosen vor dem Mast in den 1950/60er Jahren, als Nautiker hinter dem Mast in den 1970/90er Jahren berichtet
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